ZiB2-Interview vom 4. 2. 2019 (Transkript):
Armin Wolf: Herr Voggenhuber, ich möchte Ihnen zwei Zitate von Ihnen vorlesen nach Ihrem Abgang bei den Grünen vor genau zehn Jahren. Zitat eins: „Ich habe immer klar gesagt, dass ich nicht gegen die Grünen kandidieren werde, keine andere Liste gründe oder für eine andere Partei antrete.“ Zitat zwei: „Ich habe keine politischen Ambitionen mehr, ich beschwöre es!“ Was sind Ihre Schwüre wert?
Johannes Voggenhuber: Ich weiß nicht, welchen Widerspruch Sie konstruieren wollen. Das hat für die Wahl 2009 gegolten, da hätte ich mit einer Gegenkandidatur wahrscheinlich die Grünen aus dem Parlament geworfen, viele, viele haben mir damals geraten das zu tun. Ich habe gesagt: Nein, das tue ich nicht. Aber das ist natürlich kein Lebensschwur, und ich weiß gar nicht, wie Sie auf so etwas kommen.
„Ich habe keine politischen Ambitionen mehr…“
Ja, ja, aber das gilt ja nicht bis zum Lebensende. Also das werden Sie ja wohl nicht annehmen, dass man 2009, wenn man sagt, man kandidiert 2009 nicht gegen die ehemalige eigene Partei. Inzwischen, Herr Wolf, ist ja nun etwas passiert, und die Grünen, von denen Sie berichten, gibt es ja kaum mehr. Also ich weiß nicht welche Realitäten Sie hier konstruieren wollen. Das ist zehn Jahre her, zehn Jahre, ich kandidiere, das passive Wahlrecht habe ich noch, glaube ich, die Aufforderungen, die Bitte einer Liste habe ich auch, es geht mir um Politik und nicht um irgendwelchen Kram aus der Vergangenheit. Zehn Jahre ist seit der Ablöse von den Grünen verschwunden, ich habe ihren Niedergang eindringlich sie davor gewarnt, den Niedergang voraus gesagt, er ist eingetreten. Den Kritiker wollte man los werden, die Strafe der Wählerinnen und Wähler wurde man nicht los. Ich weiß nicht, was Sie jetzt nach zehn Jahren von mir in dieser Beziehung noch wollen. Die Grünen, wie ich sie und andere gegründet haben, waren eine ganz andere Partei.
Gut, bleiben wir bei Ihrer jetzigen Partei, die Liste Jetzt ermöglicht Ihre Kandidatur überhaupt erst durch Unterschriften von drei Abgeordneten und finanziert Sie, es gibt außer Ihnen bisher keine anderen Kandidaten. Es gibt auf Ihrer Homepage auch kein eigenes Team. Warum treten Sie nicht einfach für die Liste Jetzt an, wäre das nicht ehrlicher gegenüber den Wählern?
Ich weiß nicht was Sie immer mit moralischen Kategorien haben, das sind politische Überlegungen. Ich habe ja nicht zum ersten Mal eine Initiative in meinem Leben gegründet, mein politisches Leben begann als Sprecher von Initiativen. Ich weiß also sehr gut, wie man so etwas macht, und nicht wie eine Partei, und wir haben heute eine Initiative gegründet, unterstützt und nominiert von der Liste Jetzt, das ist richtig, und dazu stehe ich gerne, und das ist eine Initiative, weil sie gleichzeitig eine Plattform sein möchte mit einer Einladung weit darüber hinaus. Nun haben wir die Initiative heute gegründet, sie hat einen heftigen Zustrom, und wir wollten die Liste nicht vor diesem Prozess der Öffnung machen, weil wir unter Umständen aus den Sympathisanten, Aktivisten, Interessierten, Menschen, die zu uns kommen, und Organisationen, auch Kandidaten gewinnen könnten. Das ist ein offener Prozess, der…
Wer ist „wir“? Wer wird entscheiden, wer noch auf die Liste kommt? Sie allein?
Nein, das werde nicht ich allein sein, das werden, das wird ein Prozess sein wie bei allen Initiativen, die keine Parteien sind, also keinen Parteitag haben und keinen Bundeskongress haben, wird es eine Gruppe von sich vermehrenden Kandidaten sein, die im Einvernehmen mit der Liste Jetzt, im Einvernehmen mit der Initiative, die sich jetzt bildet, wir haben ein drei Monate Zeit dazu, und ich habe schon Initiativen gegründet, die weniger Zeit hatten.
Sie waren Parteichef der Grünen…
So ist die Bürgerliste Salzburg entstanden, so sind die Vereinigten Bürgerinitiativen entstanden, so entsteht, eine Bürgerinitiative, das hat nichts mit Parteidenken zu tun.
Gut, die Vereinigten Grünen und die Bürgerliste in Salzburg haben Sie nicht mit der Unterstützung einer anderen Parlamentspartei gegründet. Jetzt waren Sie Parteichef der Grünen, Klubchef, dreimal Spitzenkandidat, 14 Jahre EU-Abgeordneter. Jetzt kandidieren Sie gegen Ihre ehemalige Partei, aber was unterscheidet Sie eigentlich inhaltlich von den Grünen?
Also erstens einmal kandidiere ich nicht gegen die Grünen…
Natürlich…
Nein. Ich kandidiere. Ich kandidiere nicht gegen jemanden, ich kandidiere für das Europäische Parlament. Ist immer ein bisschen schwierig offenbar den Parlamentarismus in Österreich zu begreifen. Im Parlamentarismus und im passiven Wahlrecht kandidiert man nicht gegen jemanden, sondern man kandidiert für ein Amt. In diesem Falle dem Abgeordneten im Parlament, mit Hilfe für Menschen, die mich dafür gewonnen haben. Dazu gedrängt haben, darum gebeten haben und auch aus eigenen, aber aus politischen Motiven. Herr Wolf, Parteipolitik spielt in meinen Überlegungen, ich habe das ja nicht mehr notwendig.
Das hatten wir ja schon, dass Sie das aus verschiedenen Gründen machen. Die Frage war: Es kandidieren auch die Grünen. Was unterscheidet Sie inhaltlich von den Grünen?
Das müssen Ihnen die Grünen beantworten, die noch immer auf einem europäischen Parteiprogramm kandidieren, das ich geschrieben habe.
Dann können Sie sie ja wählen.
Ich weiß nicht, ob Ihnen der Zustand der Grünen entgangen ist, Herr Wolf. Die Grünen sind aus dem Nationalrat geflogen, aus dem österreichischen Parlament nach zehnjährigem inständigen Bemühungen von mir ihren Kurs zu ändern, hat sie der Wähler und die Wählerin abgewählt. Sie sind nach dieser Abwahl nie mehr auch nur andeutungsweise auf die Füße gekommen. Sie kommen aus Europa mit leeren Händen zurück, sie haben keine Politik, wie ich sie heute verlange und fordere und versuche einzulösen, gegen die Regierung des rechten Blocks in Österreich, Türkis-Blau, gemacht. Sie waren abwesend eineinhalb Jahre in den unerhörtesten Skandalen dieser Republik. Sie werden doch noch glauben, dass ich das als geeignetes Instrument einer eigenen Kandidatur nehme. Ich habe sie trotzdem, Herr Wolf, ich habe sie trotzdem eingeladen an dieser Plattform teilzunehmen. Im Übrigen würde das vielleicht ihr Überleben sichern, es würde ihnen vielleicht die Mandate zurück bringen, die sie jetzt verlieren.
Es hätte ja auch anders sein können, Sie hätten ja rein theoretisch auch die Grünen unterstützen können, nicht die Grünen auffordern, Sie zu unterstützen. Aber wenn Sie jetzt sagen, Sie wollen…
Ich weiß nicht, wen ich da hätte unterstützen sollen? Es ist eine politisch kaum mehr präsente, kaum mehr präsente Partei. Was erwarten Sie von mir?
Gut, ich bin ja hier nicht der Sprecher der Grünen, sondern Sie sagen, dass Sie gegen den Rechtsblock aus Rechtspopulisten und Nationalisten antreten wollen. Es ist aber an sich eher unwahrscheinlich politisch gesehen, dass jemand statt der ÖVP oder statt der FPÖ Voggenhuber wählt. Sehr viel wahrscheinlicher ist ja, dass ehemalige Grüne Sie wählen. Jetzt sagen alle Umfragen, dass die Liste Pilz/Liste Jetzt, und die Grünen gemeinsam momentan bei sieben bis neun Prozent liegen. Man braucht, um ins EU-Parlament zu kommen, mindestens viereinhalb bis fünf Prozent. Ist nicht ein wahrscheinliches Ergebnis, dass Sie beide da nicht rein kommen, und wozu wäre das dann gut gewesen?
Herr Wolf, ich habe bei meiner letzten Wahl das beste bundesweite Ergebnis der Grünen mit 12,9 Prozent eingefahren…
Ulrike Lunacek hatte fünf Jahre später ein noch besseres.
Ja, aber wir hatten Umfragen mit 17 Prozent in diesem Jahr 2009, wo die Grünen dann neun Prozent hatten. Können wir die ganze Wahrheit sagen. Und ich habe kein Misstrauen von den Wählern und Wählerinnen bekommen, sondern von den Grünen. Ich habe das zur Kenntnis genommen. Ich habe 2009, auch 2014 nicht gegen sie kandidiert. Aber nun sind sie aus dem Parlament, kommen von zehn Jahren Europaparlament mit leeren Händen zurück, haben kein Konzept inzwischen entwickelt. Also was soll ich tun, das Beste, das ich noch tun kann, ist zu sagen: Kandidiert mit uns, macht eine Plattform, macht einen Schritt auf uns zu, es gibt auch eine Form der politischen Kooperation angesichts der politischen Lage des Landes. Die, Herr Wolf, ist mir allerdings viel, viel wichtiger und ist die einzige Motivation für mich, und nicht irgendeine parteipolitische Überlegungen.
Gut, jetzt waren Sie ja dazwischen einmal parteipolitisch aktiv. Sie waren 2013 Initiator und Galionsfigur eines Volksbegehrens, „Demokratie jetzt“, das hat nicht ganz 70.000 Stimmen bekommen und war das zweiterfolgloseste Volksbegehen in der Geschichte der 2. Republik. Warum sollten Sie jetzt erfolgreicher sein?
Auch dieses exhumierte, die haben Sie mir schon damals vorgeworfen, richtig, das war ein Versuch…
Ich kann mich nicht daran erinnern…
Aber ich. Das war ein Volksbegehren, das eine, für mich, eine sehr schmerzliche Niederlage war. Ich glaube angesichts einer türkis-blauen Rechtsregierung würde man sich wünschen, einiges davon wäre in Erfüllung gegangen. Allerdings, auch wenn ich 300.000 wie das Bildungsvolksbegehren gehabt hätte, weiß man, wie mit Volksbegehren in dieser Republik verfahren wird. Aber Ja, es war ein Versuch und eine Niederlage, Herr Wolf. Sie können auch meine Erfolge aufzählen.
Die zählen Sie ja selber auf, dazu brauchen Sie mich ja nicht.
Nein, nein, die zähle ich nicht auf. Das wird auch nicht berichtet.
Kommen wir zu was Inhaltlichem. Sie sagen ja – Sie haben es auch jetzt gesagt – Ihr Hauptgegner ist die FPÖ. In einer Frage…
Nein, das habe ich nicht gesagt. Die rechte Regierung, auch die ÖVP ist eine rechte Partei…
Gut, bleiben wir aber ganz kurz bei der FPÖ, mit der sind Sie in einer Frage erstaunlich einig, nämlich bei Russland und der Krim. Sie nennen die EU-Sanktionen gegen Russland in der Krim-Annexion nämlich „hoch kontraproduktiv“ und „absurd“, ähnlich wie die FPÖ. Und Sie haben auf Facebook auch geschrieben: „Die Krim ist russisch und will es sein“. Sagen Sie, die EU soll anerkennen, dass die Krim ein Teil Russlands ist und die Sanktionen aufheben?
Nein, das habe ich nicht gesagt…
Das war eine Frage.
Bei den Sanktionen, bei den Sanktionen ist das ein sehr schwieriger Fall, das hat jetzt, wenn Sie gerne Zitate abrechnen wollen, ist das in Wahrheit eine sehr, sehr komplexe Frage. Wir brauchen eine Partnerschaft mit Russland, wir sollten Russland nicht immer mit Putin verwechseln und wir sollten ihn nicht zum Propagandafeindbild des Westens erklären. Europa braucht Russland, ich war in der russischen Delegation einige Jahre lang, und ich kann nur sagen, dass Europa sich hier nicht von den USA in einen Konflikt treiben lassen soll. Die Krim ist ein hoch komplexes historisches Thema. Es ist richtig, dass in der, im schwächsten Augenblick der russischen Geschichte diese Krim, die niemals zur Ukraine gehörte, unter Androhung, die russischen Atomwaffen nicht auszuliefern, an die Ukraine fiel, und dass das für Russland eine unendlich schmerzliche Niederlage war.
Herr Voggenhuber, wir können jetzt nicht die Geschichte der Krim abhandeln. Meine Frage war ganz konkret: Soll die EU anerkennen, dass die Krim jetzt ein Teil Russlands ist und die Sanktionen aufheben?
Nein, wir sind sehr weit davon entfernt von einer Normalisierung der Beziehungen. Das ist nicht eine Frage, die man mit Ja oder Nein beantworten kann. Jedenfalls ist die Krim nicht eine Frage, in der man sich einfach, es gibt auch völkerrechtlich sehr wohl verschiedene Interpretationen darüber, ob es eine Sezession oder eine Annexion war. Ich glaube nur, dass man die Krim nicht behandeln kann wie die Einmischung Russlands in der Ukraine, das ist ein wirklicher Aggressionsakt, das ist ein wirklicher Fall, über den wir uns mit Russland auseinander setzen sollten, das ist unakzeptabel was dort geschieht, das ist ein Aggressionsakt. Bei der Krim ist es ein sehr, sehr schwieriges komplexes historisches Thema, und ich bin nicht bereit das jetzt nur mit Ja oder Nein in zehn Sekunden zu beantworten.
Wir sind auch schon weit über unserer Zeit, aber wir werden im Lauf des Wahlkampfs ja noch viel Gelegenheit haben uns auseinander zu setzen mit Ihren Themen. Vielen Dank für den Besuch im Studio.
Ich danke auch.