Niessl-Tschütz Handshake

Regieren mit Blau

Es gab und gibt in Österreich auf Bundes- und Landesebene bisher sechs Koalitionen, an denen die FPÖ beteiligt war: Rot-Blau 1983-86 im Bund und 2004-2006 in Kärnten. Schwarz-Blau 2000-2006 (später mit Orange) im Bund und etwa zeitgleich auch in Vorarlberg (1999-2004) und der Steiermark (2000-2005).

Und nun eben wieder Rot-Blau im Burgenland.
(In Landesregierungen saß die FPÖ natürlich noch viel öfter, weil die meisten Bundesländer lange Proporz-Verfassungen hatten. Da stellte sie gleichzeitig Landesräte und war im Landtag Opposition.)

Was konnte man bisher aus diesen Koalitionen lernen?

– Wenn die FPÖ in einer Regierung Zweiter ist, setzt sie inhaltlich wenig durch und zerbröselt.

– Wenn Sie Erster ist, kann sie relativ viel durchsetzen – möglicherweise zerbröselt dabei etwas anderes.

These 1 läßt sich auf Bundesebene belegen. In der rot-blauen Koalition unter Sinowatz ging die FPÖ derart unter, dass sie es laut Umfragen 1987 nicht mehr ins Parlament geschafft hätte. Vor allem deshalb putschte Haider vorher den vergleichsweise liberalen Parteichef Steger weg – und Vranitzky kündigte die Koalition.

Auch in der schwarz-blauen Regierung unter Schüssel wurde die Spreizung zwischen populistischer Rhetorik vor der Wahl und pragmatischen Regierungszwängen (plus Unerfahrenheit, fehlendem Personal und geschickter ÖVP-Taktik) sehr schnell so groß, dass Haider in Knittelfeld neuerlich putschte.

In der Neuauflage ab 2003 das gleiche Spiel – nur blieb Haider diesmal bei den Pragmatikern, vertschüsste sich mit Regierungsmannschaft + Parlamentsklub Richtung BZÖ und überließ Strache die wütende Rest-FPÖ. Stand in den Meinungsumfragen damals: 3-4%.

Der schwache Einfluss des Junior-Partners

Man mag von diesen Koalitionen und ihrer Politik ideologisch oder prinzipiell halten, was immer man möchte – tatsächlich war der Einfluss der Freiheitlichen inhaltlich marginal. 1983-86 hätte eine SPÖ-Alleinregierung politisch nicht anders agiert (ev. hätte ein SP-Verteidigungsminister Herrn Reder nicht am Flughafen abgehot, aber was weiß man…), 2000-2006 hätte eine ÖVP-Alleinregierung keine andere Politik gemacht. Das Gleiche gilt für die schwarz-blauen Kooperationen in Vorarlberg und in der Steiermark. Die FPÖ stellte Regierungsmitglieder, spielte aber inhaltlich keine Rolle. Und genau diese Machtlosigkeit hat die Partei zerrissen.

Wer mit dem Anspruch antritt, als Einziger die Ängste und Sorgen der Wähler zu verstehen und endlich die Rettung zu bringen – und dann (realistischerweise) nicht liefert, der kann nur verlieren.

Der einzige Bonus, den die Freiheitlichen (außer kurzfristigem Prestigegewinn: „Herr Vizekanzler Haupt“, „Frau Bundesminister Haubner“…) aus diesen Koalitionen hatten: Sie konnten viele, viele Parteigänger in Ministerien, Behörden und staatsnahen Unternehmen unterbringen – weit über die Dauer der Koalitionen hinaus.

Wenn nicht die Partei zerbröselt – sondern die Finanzen

Ganz anders war – These 2 – die Situation ab 1999 in Kärnten, mit der FPÖ als stärkster Partei, die den Landeshauptmann stellte. Da konnte sie tatsächlich über Jahre hinweg Brot- und Spiele-LeiLei und populistische Klientelpolitik betreiben, bis hin zum „Landesvater“, der im Landhaus den Bedürftigen großzügig Hunderte überreichte. Asylwerber wurden auf die „Saualm“ verschickt, Kärnten für „Tschetschenen-frei“ erklärt und politische Gegner aus Ämtern gemobbt.

Die Kärntner Freiheitlichen legten von Wahl zu Wahl zu – zerbröselt sind die Kärntner Finanzen. Weil „Kärnten ist reich“ nicht seriös zu finanzieren war, ist das Bundesland heute defacto bankrott, wir alle sitzen auf ein paar Milliarden Hypo-Schulden und gegen einen Großteil der damaligen Kärntner Regierungspolitiker wird in diversen Korruptionsverfahren ermittelt. Dass es dabei auch über zwei Jahre lang eine blau-rote Koalition gab, spielte keine Rolle. Haider agierte von 2004-2006 nicht anders als vorher oder nachher. ÖVP und SPÖ halfen offenbar gerne.

Was heißt das nun für die aktuelle Debatte?

Jenseits aller (hoch spannenden) Prinzipien-Diskussionen über die Glaubwürdigkeit der SPÖ und die Ausländer-Politik der FPÖ wird im Burgenland nicht viel passieren. Die rot-blaue Koalition wird sich von einer SPÖ-Alleinregierung nur personell aber nicht inhaltlich unterscheiden. Bei der nächsten Landtagswahl wird die FPÖ wohl kaum dazu gewinnen – weshalb auch? Als Alternative ist sie dann nicht mehr attraktiv, wer zufrieden ist, wird Niessl wählen, wer unzufrieden ist, kaum zur FPÖ wechseln.

Das Ende der „Ausgrenzung“

Trotzdem hat diese Koalition weitreichende Folgen: Die „Ausgrenzung“ der FPÖ durch die SPÖ ist Geschichte, da mag der Bundesparteivorsitzende derzeit sagen, was er will. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass die SPÖ bei der nächsten NR-Wahl sehr viel dazu gewinnt – dann wird nicht mehr Werner Faymann entscheiden, mit wem (nicht) koaliert wird. Die ÖVP hatte ohnehin nie große Berührungsängste mit der FPÖ – jetzt fühlt sie sich endgültig für neue Koalitionen (Steiermark) legitimiert.

Für die FPÖ sind weitere Regierungsbeteiligungen (auch auf Bundesebene) diese Woche dramatisch wahrscheinlicher geworden. Das ist für die Partei kurzfristig attraktiv (Prestige, Posten, Einfluss) – stürzt sie aber längerfristig in ein unauflösbares strategisches Dilemma, vor dem alle populistischen Bewegungen stehen:

Die Hoffnungen, die sie bei ihren frustrierten, verärgerten und wütenden Wählern wecken, können in der Regierungspraxis meistens nicht seriös eingelöst werden. Fundamentalopposition funktioniert in der Regierung nicht. Die Heilsversprechungen zerschellen an der komplexen Realität. Aber der Versuch kann teuer werden – für die Partei oder für die Steuerzahler. Oder für beide.

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Nachtrag: Danke an Achim Ertl und Klaus Brugger, die mich auf die schwarz-blauen Koalitionen in Vorarlberg und der Steiermark hingewiesen haben, die ich ursprünglich übersehen hatte. Meine These über die FPÖ als Juniorpartner haben die beiden Beispiele nur bestätigt – in beiden Ländern hat die FPÖ bei den folgenden Wahlen ganz massiv verloren (natürlich auch wg. der Turbulenzen auf Bundesebene).