Alle Beiträge von Armin Wolf

Geboren am 19. August 1966 in Innsbruck. Studium der Politikwissenschaft (mit einer Fächerkombination aus Zeitgeschichte, Soziologie und Erwachsenenbildung) in Innsbruck und Wien. Sponsion 2000, Promotion 2005. Postgraduate-Studium Business Administration in Berlin, MBA 2010. Seit 1985 ORF-Journalist. Ab 2002 Moderator der ZiB2, seit 2010 auch stellvertretender Chefredakteur der TV-Information.

„Wetten wir, dass es falsch ist?“

Es war eine der eher skurrileren Situationen in den vielen Jahren, die ich die ZiB2 schon moderiere und auch in meinen gar nicht so wenigen Interviews mit Sebastian Kurz.

Der Ex-Kanzler kam nach seinem erstinstanzlichen Schuldspruch wegen falscher Zeugenaussage im Ibiza-U-Ausschuss gestern live ins Studio. Kurz nach Gesprächsbeginn las ich ihm die entscheidende Stelle aus seiner Einvernahme im U-Ausschuss vor und es entspann sich der folgene – eher schräge – Dialog:
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Sebastian Kurz: Ich habe auf die Frage, ob ich eingebunden war in die Auswahl der Aufsichtsräte, habe ich gesagt, ja, das hat der Richter auch anerkannt, er habe dann nur gemeint, ich hätte das detailreicher schildern müssen. Und meiner Meinung nach ist das ungerecht, wir werden sehen, wie die zweite Instanz urteilt.

Armin Wolf: Gut. Ganz so war es nicht, die Frage, die an Sie gestellt wurde im U-Ausschuss…

Kurz: Ich kenne es, ja bitte…

Wolf: Ich habe das Protokoll hier bei mir.

Kurz: Ich auch, ich auch.

Wolf: „Haben Sie allgemeine Wahrnehmungen zur Frage, wie der Aufsichtsrat besetzt wurde? Waren Sie da selbst eingebunden?“ Ist eine Doppelfrage…

Kurz: Und ich antworte mit Ja.

Wolf: Auf die sagen Sie: „Ja, ich weiß, dass es da im Finanzministerium und im zuständigen Nominierungskomitee Überlegungen und Gespräche gab.“

Kurz: Das ist völlig falsch, das ist völlig falsch. Entschuldigung!

Wolf: Das lese ich Ihnen vom Protokoll vor.

Kurz: Nein, das ist falsch zusammenkopiert…

Wolf: Entschuldigung, das ist das Protokoll von der Parlaments-Homepage, das habe ich vor zwei Stunden heruntergeladen.

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„Menschen zusammenbringen“

In Deutschland ist nach dem Auffliegen der „RBB-Affäre“ eine große Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entstanden. Die Bundesländer, die für alle Rundfunk-Angelegenheiten zuständig sind, haben daraufhin im März 2023 einen „Zukunftsrat“ eingesetzt, eine Kommission aus Expert·innen, geleitet von der früheren Gruner&Jahr-Managerin Julia Jäckel.

Dieser Zukunftsrat sollte ein Programm ausarbeiten, wie man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der in Deutschland aus neun ARD-Landesanstalten, dem ZDF und dem Deutschlandfunk besteht, besser organisieren kann. Jetzt wurden diese Empfehlungen präsentiert. Hier der gesamte Bericht zum Nachlesen:

Deckblatt Bericht des Zukunftsrats

Was wir besser machen könnten

Gestern Abend durfte ich auf Einladung von Prof. Volker Lilienthal und der Augstein-Stiftung an der Uni Hamburg einen Vortrag halten – im Rahmen einer Ringvorlesung zum 100. Geburtstag des SPIEGEL-Gründers Rudolf Augstein. Mein Thema lautete: „Warum öffentlich-rechtliche Medien nie wichtiger waren – und was wir besser machen könnten“.
Hier mein Text, der in einer etwas gekürzten Version auch in einem Sammelband zur Vorlesungsreihe erscheinen wird, zum Nachlesen:


Ich möchte Ihnen Celina Blogsta vorstellen. Celina wurde im Oktober 1999 in Haslau an der Donau geboren, einem Dorf östlich von Wien, in dem 995 Menschen leben. Im Mai 2014, als sie 14 Jahre alt war, lud Celina ihr erstes Video auf YouTube hoch.

Alle paar Tage erzählte sie dann unter dem selbstgewählten Namen „Celina Blogsta“ in kurzen Filmen aus ihrem Kinderzimmer von ihrem Leben, erklärte „Was Mädchen tun, wenn sie verliebt sind“, zeigte sich beim Schminken und präsentierte ihre Outfits. YouTube war damals ihr Hauptkanal, aber Celina betrieb auch Accounts auf Facebook und dem noch jungen Instagram. Nach knapp zwei Jahren, im Februar 2016, postete die Schülerin auf allen ihren Kanälen: Liebe Fans, wenn ihr ein Selfie mit mir möchtet, kommt doch nächsten Samstag um 14h00 auf den Stephansplatz in Wien.

Ich weiß nicht, ob Sie den Wiener Stephansplatz kennen – Sie können ihn sich etwa so vorstellen wie den Rathausmarkt hier in Hamburg. Am Samstag um 14h10 musste die Wiener Polizei den Stephansplatz absperren. Es waren so viele Teenager gekommen, um sich mit Celina Blogsta fotografieren zu lassen, dass es Verletzte gab und Fiaker-Kutschen in der Menge stecken blieben. Um ein Foto mit einer 16jährigen aus Haslau an der Donau zu machen, die in ihrem Kinderzimmer aus ihrem Leben erzählte.

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2024: Wird schwierig

Dieser Tipp ist eigentlich kein „Lesezeichen“, sondern ein Hinweis zum Hören – auf ein ca. einstündiges Gespräch mit dem brillanten Politikwissenschafter Ivan Krastev über seine Aussichten auf das Jahr 2024.

Der 58jährige Bulgare ist einer der weltweit renommiertesten „public intellectuals“ und politischen Analytiker und was nicht allzu viele Menschen wissen: Er lebt und arbeitet seit vielen Jahren großteils in Wien am IWM, dem – in Österreich viel zu wenig beachteten – Institut für die Wissenschaft vom Menschen.

Krastev ist fantastisch informiert, ungewöhnlich gut (auch mit internationalen Spitzenpolitiker·innen) vernetzt, ein origineller Denker und begnadeter Formulierer. Ich kenne kaum jemanden, der politische Phänome und Entwicklungen so prägnant auf den Punkt bringen kann wie Krastev, wenn er z.B. in diesem Gespräch sagt: „Bei der EU-Wahl vor fünf Jahren war Migration das polarisierende Thema und der Klimawandel das einigende. Diesmal ist es umgekehrt.“ Oder: „Putin lügt gerne über die Vergangenheit. Aber bei seinen Plänen für die Zukunft sollte man ihm besser glauben.“ Oder: „Orban und Erdogan wollen nicht Trump oder Putin nachmachen. Ihr Vorbild ist Netanyahu.“

Hier finden Sie den hörenswerten Audio-Mitschnitt (Englisch) aus dem Wiener Presseclub Concordia vom 12. Dezember 2023 auf Youtube (und hier auf Spotify):

„Wie a Seelenschliafer“

Ich habe im Lauf der letzten zwei Jahrzehnte etwa 3.000 öffentliche Gespräche geführt, aber auf keines habe ich mich so gefreut wie vergangenen September auf einen Abend im Bregenzerwald. Es gibt dort seit einigen Jahren jeden Spätsommer ein sehr feines Kulturfestival mit dem Titel FAQ: Klug kuratierte Gespräche, fabelhafte Konzerte und großartiges Essen in tollen Locations inmitten einer der schönsten Landschaften Österreichs.

Ich war dort vor einiger Zeit als Gast eingeladen und so angetan von der Atmosphäre, dass ich gerne wiederkommen wollte. Seither moderiere ich beim FAQ jedes Jahr ein größeres Gespräch. Diesen September hatte ich mir zwei Gäste gewünscht, die sich – da war ich mir sicher – besonders gut ergänzen würden.

Beide kommen aus der Kultur, haben eine intensives Interesse an Politik, eine ungewöhnliche Beziehung zu ihren Vätern und beide haben kürzlich ihre Karrieren beendet: Die 75jährige Helga Rabl-Stadler nach mehr als einem Vierteljahrhundert als legendäre Präsidentin der Salzburger Festspiele und der 40jährige Martin Grubinger nach einem Vierteljahrhundert als bekanntester Percussionist der Welt (und regelmäßiger Gast der Salzburger Festspiele).

Beide kommen aus Salzburg und kennen einander seit über 30 Jahren. Mit Martin Grubinger bin ich befreundet, Helga Rabl-Stadler kannte ich bis zu unserem Gespräch nur beruflich. Und ich war mir sicher, mit den beiden müsste man ein schönes Gespräch über Kultur, Politik, Väter und übers Aufhören führen können. Und so war es dann auch.

Wir haben uns vor mehreren hundert Besuchern in der riesigen Werkshalle der Kaufmann Zimmerei und Tischlerei in Reuthe knapp zwei Stunden lang unterhalten – und ich mag dieses Gespräch wirklich sehr. Meine Gäste waren gleichermaßen klug, witzig, inspirierend und bemerkenswert offen, ich hätte allerdings auch „wie a Seelenschliafer“ in ihnen gebohrt, hat Helga Rabl-Stadler ein wenig tadelnd angemerkt.

Die FAQ-Macher·innen haben den Audio-Mitschnitt des Gesprächs zum Jahresende auf ihre Website gestellt (und als Podcast auf Spotify). Vielleicht genießen Sie es ja ähnlich wie ich.

Frohe Weihnachten!


Fotos: Hannes Kläger/FAQ

Der Professor und der Wolf LIVE

15.000 verkaufte Bücher sind in Österreich ziemlich viel, habe ich gelernt, vor allem bei Sachbüchern, wenn es keine Kochbücher sind. Deshalb verleiht der Buchhandel an Autor·innen und ihre Verlage, die das schaffen, ein „Goldenes Buch“.

Ende November haben Peter Filzmaier und ich eines bekommen, weil sich unser Buch über das 1×1 der österreichischen Politik erfreulicherweise sehr gut verkauft. Seit Anfang April stand es praktisch durchgehend auf der Bestsellerliste, viele Wochen davon auf Platz 1. Der Professor und ich freuen uns sehr – vielen Dank!

Weil es aber auch Menschen gibt, die schon ein Buch besitzen und kein zweites mehr wollen (Platzprobleme, Stauballergie, zu viele ungesehene Netflix-Serien…) – oder die uns gerne mal eine Frage stellen möchten, gibt es „Der Professor und der Wolf“ auch LIVE auf der Bühne.

Nicht häufig, weil der Professor viel unterwegs ist und ich oft abends arbeite, aber nach derzeitigem Plan noch vier Mal:

19. APRIL 2024 in der MESSEHALLE FREISTADT

20. APRIL 2024 im Globe WIEN

4. JULI 2024 im THEATER IM PARK WIEN

4. AUGUST 2024 im THEATER IM PARK WIEN

Ein Besucher unseres – netterweise ausverkauften – Auftritts vergangenen Dezember im Globe hat uns dazu folgendes Feedback geschickt:

Es war …
Witzig! Aber kein Kabarett!
Spannend! Aber kein Krimi!
Lehrreich! Aber keine Vorlesung!
Unterhaltsam! Aber keine Sitcom!

Das hat uns gefreut und wir würden uns auch sehr freuen, wenn wir Sie bei einem unserer Auftritte sehen!

Falls Sie dafür aber keine Zeit haben sollten oder zu weit entfernt wohnen: Unser Buch wurde gerade in einer neuen Auflage nachgedruckt und es eignet sich auch ganz hervorragend als Weihnachtsgeschenk (gerne auch zum Geburtstag, Hochzeitstag, Firmenjubiläum, bestandenen Führerschein, zur Firmung oder einfach so.)

Bei der Verleihung des Goldenen Buches hat sich übrigens herausgestellt, dass man da gar kein goldenes Buch bekommt. Die Auszeichnung ist eine goldfarbene Buchstütze, immerhin aber mit eingraviertem Namen und Buchtitel und durchaus dekorativ. Es gibt auch noch ein „Platin-Buch“, haben der Professor und ich gelernt. Aber dafür müssten wir noch ein paar tausend Exemplare verkaufen…

Werbedurchsage Ende.

Eine verhängnisvolle Affäre

Wie soziale Medien den Journalismus verändert haben und der Journalismus die sozialen Medien (Spoiler: Nicht zum Besseren). Sehr lesenswerte Analyse!

Screenshot mit LinkTHE ATLANTIC, 3.11.2023

George Washington hatte einen Traum

1 inch = 2,54 cm
1 foot = 12 inches
1 yard = 3 feet
1 mile = 1760 yards = 1609,34 m

0 Grad Fahrenheit = -17,8 Grad Celsius
100 F = 37,8 C
0 C = 32 F
36,6 C = 97,9 F
100 C = 212 F

1 ounce = 2,835 dag
1 pound = 16 ounces
2000 pounds = 1 ton
1000 pounds = ???

1 gallon = 4 quarts = 8 pints = 3,785 l

Was ist Journalismus? Kurzfassung

Buch-CoverHarald Fidler, der Leiter des Medienressorts im STANDARD, gilt seit vielen Jahren als kompetentester und bestinformierter Medienjournalist des Landes. Alle paar Jahre erklärt Fidler die, sagen wir mal, ungewöhnliche heimische Medienlandschaft auch in einem Buch.

Das jüngste Werk ist vor wenigen Tagen erschienen. Es bietet auf 232 Seiten einen umfassenden Überblick, zahllose Daten und Fakten, Hintergründe und pointierte Erzählungen zu den wichtigsten Akteur·innen. Zu einigen zentralen Grundbegriffen hat Fidler bekannte Journalist·innen um kurze Erklärtexte gebeten, wie in einer Art Lexikon. Die Frage an mich lautete: „Was ist Journalismus?“. Meine Antwort wird regelmäßige Leser·innen dieses Blogs nicht überraschen.


WAS IST JOURNALISMUS?

Aus Fidler, Harald: So funktioniert Österreichs Medienwelt. Mechanismen, Machtspiele und die Zukunft der Medien, Wien 2023: S. 47f.

Pressefreiheit ist längst nicht mehr „die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“, wie der deutsche Journalist Paul Sethe einst spottete. Pressefreiheit ist heute die Freiheit von Milliarden Menschen mit Internetzugang, ihre Meinung ins Netz zu stellen – und damit potentiell ein Millionenpublikum zu erreichen. Jede·r kann heute ein Massenmedium gründen. Doch nicht alles, was dort veröffentlicht wird, ist Journalismus.

Journalismus ist ein Handwerk mit Regeln und Routinen. Und eine öffentliche Dienstleistung.

Journalist·innen versorgen die Gesellschaft mit der Faktenbasis, die sie als Grundlage für einen sinnvollen Diskurs über ihre gemeinsamen Angelegenheiten benötigt. Im Zeitalter „alternativer Fakten“ ist diese Basis nicht mehr selbstverständlich. Die „Deregulierung des Wahrheitsmarkts“ (Michael Seemann) durch die allumfassende Digitalisierung hat den öffentlichen Raum mit einer unüberschaubaren Masse an Propaganda, Fake News, Verschwörungsfantasien und belanglosem Entertainment geflutet.

Die ergebnisoffene Recherche, Überpüfung, Auswahl, Gewichtung, Aufbereitung und Veröffentlichung gesellschaftlich relevanter Fakten – Journalismus als „bestmögliche Version der Wahrheit” (Carl Bernstein) – wird in dieser Situation immer elementarer.

„Journalismus ist Unterscheidung”, hat der legendäre ORF-Chef Gerd Bacher gesagt: „Zwischen wichtig und unwichtig, zwischen wahr und unwahr, zwischen Sinn und Unsinn“.

Dieser Satz ist drei Jahrzehnte alt. Nie war er aktueller.

„… werden als verfassungswidrig aufgehoben.“

Der Einfluss der Bundesregierung auf die ORF-Gremien ist zu groß. Das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) jetzt in einem historischen Erkenntnis festgestellt.

An dieser Entscheidung bin ich eventuell nicht ganz unschuldig. In diesem Blog habe ich letztes Jahr auf einen Aufsatz von VfGH-Präsident Grabenwarter von 2018 zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland aufmerksam gemacht. Grabenwarter hat damals argumentiert, dass der übergroße Einfluss von Regierungen auf den öffentlichen Rundfunk der Rechtssprechung zur Meinungsfreiheit (Art. 10) in der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspricht. Daraus habe ich geschlossen, dass auch die Besetzung des ORF-Stiftungsrats – wo die Regierungsparteien per Gesetz quasi automatisch eine Mehrheit haben – verfassungswidrig sein müsste.

Die Regierung (konkret ihr Verfassungsdienst) hat das vehement bestritten, aber die burgenländische Landesregierung ist im Juni 2022 tatsächlich vor den Verfassungsgerichtshof gezogen und hat in einem ausführlichen Antrag die Aufhebung jener Bestimmungen verlangt, in denen das ORF-Gesetz die Bestellung von Stiftungs- und Publikumsrat regelt.

Heute hat sie damit – teilweise! – recht bekommen.

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