ZiB2-Interview

Live oder nicht live – Das ist oft die Frage

„Das Gespräch haben wir aus Termingründen aufgezeichnet“, das ist ein Satz, der immer wieder in der ZiB2 fällt. Und nicht wenige Zuseher beklagen sich darüber, dass „so viele Interviews nicht mehr live sind“. Aber warum ist das so?

Wir versuchen für jede Sendung den möglichst interessantesten Gast zum wichtigsten Thema des Tages zu bekommen. Das ist jedenfalls unser Anspruch. Nicht immer gelingt uns das, weil uns nicht jeder Gast, den wir einladen, auch zusagt. Mitunter haben Menschen, die wir anfragen, tatsächlich keine Zeit oder sie wollen kein Interview geben (gerade PolitikerInnen entscheiden das sehr strategisch) oder es ist schlicht unrealistisch, sie für die ZiB2 zu bekommen.

Im ORF gibt es die schöne Geschichte, dass Klaus Emmerich, als er in den frühen 1980er Jahren das ORF-Büro in Washington eröffnete, sogleich um ein Interview mit Präsident Reagan angesucht hat. Bis heute ist keine Antwort eingetroffen.

Viele Gäste, die wir anfragen, sagen aber – Danke! – zu. Aber eben nicht alle live. Nun wird die ZiB2 um 22h00 gesendet und vielbeschäftigte PolitikerInnen oder ManagerInnen haben abends oft noch berufliche Termine – und auch ein Recht auf ein Privatleben. Mitunter mag das Terminproblem auch eine Ausrede sein. Wir stehen jedenfalls vor der Entscheidung: Was ist uns wichtiger – der Gast oder dass das Interview LIVE ist?

Ist nur LIVE echt?

Wir wissen, dass viele Zuseher lieber Live-Interviews sehen. Was ich nicht wirklich weiß ist: Warum das so ist. Ich vermute, dass viele glauben, bei einem aufgezeichneten Interview könnte – im Gegensatz zu live – etwas „manipuliert“ werden. Quasi: Nur live ist „echt“.

Das ist ein Irrtum. Als Interviewer sind mir aufgezeichnete Gespräche sogar wesentlich lieber. Warum? Das größte Problem im ZiB2-Gespräch ist die knappe Zeit. 6-8 Minuten sind für ein TV-Interview sogar ziemlich lang, aber für komplexe Themen doch ziemlich wenig. In Wahrheit kann ich da – wenn ich auch richtig nachfragen will – drei oder vier inhaltliche Fragen stellen. Und ich weiß nie, ob meine Frage ergiebig sein wird und ob sich eine weitere Nachfrage noch lohnt.

Bei einer Aufzeichnung spielt das keine Rolle: Ich kann auch zehn, zwölf sogar 15 Minuten aufzeichnen, kann verschiedene Themen ausprobieren und zur Not auch ein, zwei Mal öfter nachfragen. Weil wir das Interview anschließend kürzen. Was nicht ergiebig war, wird einfach nicht gesendet. Und ich kenne kaum ein Interview, das durch eine Kürzung nicht gewonnen hätte. (Der einzige echte Nachteil: das Interview könnte theoretisch bis 22h00 unaktuell werden – deswegen zeichnen wir praktisch immer erst am Abend, frühestens um 18.00, auf. Print-Interviews hingegen sind immer mindestens zwölf Stunden alt, wenn Sie sie lesen.)

Die Gäste haben kein Mitspracherecht

Der entscheidende Punkt ist aber: Was gekürzt wird, entscheidet ausschließlich die Redaktion, ausschließlich nach journalistischen Kriterien. Im Normalfall gehe ich nach der Aufzeichnung mit einem Redakteur in den Schneideraum, wir machen gemeinsam einen inhaltlichen Rohschnitt, anschließend erledigen Redakteur und Cutter die Feinarbeit. Der Studiogast und seine PressesprecherInnen sind da schon lange weg. Die sehen den Schneideraum nie und haben auch keinerlei Mitspracherecht, was aus dem Interview gesendet wird und was nicht.

Es gibt im Fernsehen – im Gegensatz zu Printmedien – keine nachträgliche „Autorisierung“ eines Interviews. Das geht natürlich nur, weil uns die ORF-Programmrichtlinien verbieten, ein Gespräch sinnentstellend oder verzerrend zu bearbeiten.

Wir hatten dazu einmal eine Auseinandersetzung mit dem früheren ÖVP-Klubobmann Kopf, der uns vorwarf, wir hätten ein Interview mit dem damaligen Parteichef Josef Pröll manipulativ geschnitten. Die Debatte war in dem Moment vorbei, als wir die Originalversion des Gesprächs online stellten. Jeder konnte sehen, dass unsere Bearbeitung völlig korrekt war. Dass Herr Pröll oder Herr Kopf gerne andere Teile aus dem Gespräch auf Sendung gesehen hätten – klar, verstehe ich. Ist aber nicht ihre Entscheidung sondern unsere. (So wie Politiker oft andere Ausschnitte aus ihrer Pressekonferenz oder Parlamentsrede senden würden. Dafür gibt es ihre Parteipressedienste.)

Seit damals bieten wir übrigens Gespräche, die wir für die Sendung stark kürzen, als ungeschnittene Originalversionen in der TVthek an. Als Zuseher haben Sie beides: auf Sendung quasi die Highlights, im Netz die Langversion.

Als Politiker käme ich immer live

Als Interviewer sind mir also Aufzeichnungen lieber, weil ich da mehr ausprobieren kann und nichts auf Sendung gehen muss, was nicht funktioniert. Als Fernsehmacher habe ich dagegen Live-Gäste sehr viel lieber. Weil ich weiß, dass sie unserem Publikum lieber sind.

Wen ich allerdings am wenigsten verstehe, sind PolitikerInnen, die ohne Not aufzeichnen wollen. Ich würde als Politiker ja ausschließlich live in die ZiB2 gehen – weil live der Einfluss des Gastes auf das Gespräch sehr viel größer ist: Die Redaktion kann nichts kürzen; alles, was der Gast sagt, wird – logischerweise – gesendet. Natürlich auch, wenn er Mist baut. Aber der wird auch bei einer Aufzeichnung gesendet. Wir machen keinen Gast beim Schnitt klüger oder schöner (auch nicht dümmer oder hässlicher).

Letztlich ist für uns in der ZiB2-Redaktion aber die einzig relevante Frage: Ist diese Frau oder dieser Mann der interessanteste Gast, den wir heute bekommen können?