Losen oder wählen?

Ich habe übers Wochenende dieses faszinierende Buch des belgischen Historikers David Van Reybrouck gelesen – das wesentlich differenzierter geschrieben ist als der plakative Titel suggeriert.

Seine Kernthese: Es wäre letztlich demokratischer, politische Ämter unter den Bürgern zu verlosen als Politiker zu wählen. Denn durch Wahlen würde erst wieder eine neue „Aristokratie“ entstehen, wenn auch keine vererbte sondern eine gewählte.

Ein Los-Verfahren, ähnlich wie bei Geschworenen- oder Schöffengerichten, würde eine repräsentativere Auswahl, mehr Teilhabe und höhere Identifikation mit dem politischen System sicherstellen und – obwohl Laien für politische Entscheidungen verantwortlich wären – auch bessere Ergebnisse.

Eine Kurz-Version der These gibts auf YouTube als 3 min langes Video:

Dass seine Idee radikal ist, weiß der Autor, deshalb schlägt er letztlich eine Kompromiss-Variante vor: Eine gewählte gesetzgebende Kammer mit politischen Profis und eine zweite Kammer, in der die Sitze ausgelost werden.

Und er schildert im Detail praktische Beispiele vom antiken Athen über das mittelalterliche Venedig bis zu Verfassungsdebatten in Kanada und Island in den letzten Jahren, bei denen Los-Verfahren ausprobiert wurden. Lohnende Lektüre!

Ich fand das auch deshalb so interessant, weil ich vor einiger Zeit in der endlosen Debatte über eine ORF-Reform ebenfalls eine Art Lotterie vorgeschlagen habe. Hier zum Nachlesen.