Sorry!

Ich habe in den letzten Tagen sehr viel über meine Arbeit nachgedacht und möchte, falls es wen interessiert, ein bisschen was davon hier teilen.

In der ZiB2 vom Dienstag haben wir über die Obmann-Debatte in der ÖVP berichtet – unter der Headline „Parteifeindschaft“. Meine Moderation begann mit den Sätzen: „Reinhold Mitterlehner hat sich ja durchaus gerne als ‚Django‘ inszenieren lassen. Aber dieser Tage erinnert er sich von den vielen Django-Filmen vielleicht am ehesten an diesen…“ Und hinter mir war der Filmtitel zu sehen: „Django – die Totengräber warten schon“.

Die Anspielung war meine Idee und wir hatten darüber in unserer Abend-Sitzung länger diskutiert. Die ZiB2 versteht sich ja als tägliches politisches Magazin. Ähnlich wie Printmagazine wie Profil oder Spiegel sind wir in der Sprache manchmal ironischer und in Formulierungen salopper als unsere Hauptnachrichten-Sendung ZiB1.

Vor jeder Sendung erfinden wir in unserer letzten Sitzung um 20h00 die drei Headlines, die oft Wortspiele und Anspielungen sind. Sehr viele verwerfen wir gleich wieder, weil ein Kollege meint: „Könnte missverstanden werden“, „zu umständlich“, „nicht witzig“, „versteht keiner“ oder ähnliches.

Am Dienstag kam kein einziger solcher Einwand. Vor allem aber – weil das in den letzten Tagen eine große Rolle spielte – hat niemand in der Debatte über das „Totengräber“-Sujet Reinhold Mitterlehners Tochter erwähnt.

Es ist doch völlig selbstverständlich, dass wir die Idee sofort wieder vergessen hätten, hätte jemand an diesen tragischen Todesfall gedacht. Ich nehme an, die meisten in der Sitzung hatten – so wie ich auch – vor einigen Monaten davon gehört. Aber mir war das am Dienstag nicht eine Sekunde bewusst. Und auch sonst niemandem, der mit der Vorbereitung der Sendung beschäftigt war. Jedenfalls hat niemand ein Wort gesagt.

Für uns alle war klar, dass sich die „Totengräber“ nicht auf Reinhold Mitterlehner bezogen, sondern auf seine „Parteifreunde“, die seit Wochen ihren eigenen Obmann auf offener Bühne demontierten. Es sollte eine Metapher sein, angelehnt an die „Django“- Inszenierung, die Mitterlehner und sein Team sehr offensiv betrieben haben.

Aber sapperlot, ist das daneben gegangen.

Bei Reinhold Mitterlehner, der die Sendung offenbar zuhause gesehen hat, ist das Bild völlig falsch angekommen. Jedenfalls hat er am nächsten Tag meine Moderation den „letzten Punkt“ für seine Entscheidung genannt, alles hinzuschmeißen.

Ich hab das nichtmal live mitbekommen, weil ich Mittwoch Mittag in einer Besprechung war. Als ich es eine halbe Stunde später nachgelesen habe, war ich völlig irritiert. Dass es nicht meine Absicht war, Mitterlehner persönlich zu kränken, ist hoffentlich klar. Aber ich will ja auch niemanden unabsichtlich verletzen.

Ich möchte kritisch-distanziert über Politik berichten, politische Vorgänge analysieren und einordnen und sie in Interviews kritisch hinterfragen. Und zum einen habe ich hohen Respekt vor Menschen, die sich das extrem schwierige Geschäft Politik antun (darüber habe ich mal einen längeren Text geschrieben), und zum anderen halte ich mich schon für einen höflichen Menschen.

Ich unterbreche Studiogäste ja nicht, weil ich ein manierenbefreiter Rüpel wäre, sondern weil bei ZiB2-Interviews eine Uhr mitläuft und ich da nicht zulassen kann, dass jemand endlos antwortet, v.a. wenn die Antwort nur am Rande die Frage berührt. Das stört manche Zuseher, aber es kränkt im Normalfall die Gäste nicht. Die sind politische Profis mit jahrelanger Medienroutine, die meist ja mit Absicht so antworten, wie sie antworten und wissen, warum ich so frage. Ich bin nicht sauer auf sie, sie sind üblicherweise nicht sauer auf mich (Ok, es gibt Ausnahmen…).

Aber Mitterlehner war durch meine Moderation offenbar wirklich gekränkt. Das hat mich schon am Mittwoch Nachmittag beschäftigt – auch deswegen, weil es bis zu seiner Pressekonferenz nicht eine einzige kritische Reaktion auf die Moderation gegeben hatte: kein Mail, kein Tweet, kein Anruf. Auch bei der Sendungskritik in unserer Frühkonferenz: kein Thema. Es gab zu dieser ZiB2, wie zu jeder Sendung, zig andere Reaktionen – aber keine einzige zum Django-Bild. Bis zu Mitterlehners Rede.

Dann kamen hunderte: Tweets, Facebook-Kommentare, Mails, Anrufer beim Kundendienst. Und in vielen davon der Vorwurf wegen des Todesfalls. Ich weiß, dass ich als „harter“ Interviewer gelte und andere Gespräche führe als Barbara Stöckl. Aber dass mir ein paar hunderte Menschen ernsthaft zutrauen, ich hätte diese Anspielung gemacht, obwohl mir der Todesfall bewusst wäre, hat mich sehr nachdenklich gemacht. „Empathieloses Arschloch!“ ist keine Reaktion, die man gerne bekommt.

Ich sehe mich im ZiB2-Studio ja als Vertreter der täglich 600.000 ZuseherInnen. Lauter Menschen, die tagsüber mit anderen Dingen beschäftigt sind als mit Politik, mit ihren Jobs, mit Schule, Uni, ihren Familien oder Hobbies. Ich werde dafür bezahlt, mich den ganzen Tag mit Politik zu beschäftigen und dann im Studio politische Akteure zu befragen.

Die meisten Menschen treffen nie eine Ministerin oder den Bundeskanzler. Und wenn sie ein Mail schreiben, antwortet im Normalfall ein Mitarbeiter. Ich habe durch meinen Job die Möglichkeit, Spitzenpolitikern – stellvertretend für die Zuseher – Fragen zu stellen: Ihre politischen Handlungen, Ankündigungen oder Versäumnisse mit möglichen Gegenargumenten oder Widersprüchen zu konfrontieren. Die Hoffnung dabei ist, dass die Zuseher danach besser informiert sind und auch das Gefühl haben, zumindest einige der Fragen, die sie interessieren, wurden gestellt.

Das funktioniert aber nur solange, solange mich die Zuseher als ihren Stellvertreter im Studio akzeptieren. Und das ist, wie vieles im Leben, nicht nur eine rationale Frage (Weiß der, wovon er redet?), sondern auch eine emotionale.

Nun weiß ich nach 15 Jahren, dass man es nie 600.000 Menschen gleichzeitig recht machen kann. Wann immer ich einen Politiker hart befrage und er vielleicht nicht ganz souverän antwortet, werden Hardcore-Fans des Politikers sauer auf mich sein und nicht auf ihren Helden. Nach jeder Sendung kommen zehn, zwanzig böse Tweets oder Mails, das ist bei so vielen Zuschauern einfach so. Es kommt ja auch viel positives Feedback und die ZiB2-Quoten steigen seit Jahren. Grundsätzlich scheint es also zu funktionieren.

Wenn aber, wie diesmal, mehrere hundert empörte Reaktionen kommen, beschäftigt mich das schon. Und so extrem wie diese Woche war es in den 15 Jahren, die ich moderiere, erst ein einziges Mal: Nach der Sondersendung am Todestag von Jörg Haider wegen eines Interviews mit Stefan Petzner. Dieses Gespräch hatte ich mit einer Frage begonnen, die sehr viele Menschen pietätlos fanden. Und im Nachhinein musste ich mir eingestehen: Sie hatten recht.

Zu einem Interview mit Susanne Winter kam auch sehr viel Kritik. Ich habe viel darüber nachgedacht – aber zu diesem Interview stehe ich.

Doch am Dienstag habe ich ganz offensichtlich ein Bild, das als ironische Metapher auf einen politischen Vorgang gedacht war, völlig falsch eingeschätzt.

Ich möchte nicht, dass die ZiB2 nur mehr Texte in Amtsdeutsch versendet – ich weiß nach fast 2.000 Sendungen, dass die meisten Zuseher unsere distanziert-ironische Annäherung grundsätzlich mögen. Aber Ironie darf nicht zum Zynismus werden. Und wenn sehr viele Zuseher etwas als zynisch verstehen, habe ich etwas falsch gemacht. Das tut mir leid.
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PS: Ich hatte schon am Mittwoch schnell ein paar Zeilen zu diesem Thema hier geschrieben, das Posting aber in der Nacht wieder gelöscht, weil ich einfach keine Zeit hatte die ca. 700 Kommentare zu lesen. Ich bin aber für die Kommentare auf meine FB-Seite verantwortlich.

Jetzt am Wochenende habe ich mehr Zeit. Ihre Meinung zum Thema interessiert mich sehr, es wäre aber fein, wenn es ohne Beschimpfungen abginge. Sowas wie „Lerne endlich Respekt, du schiacha Wixa!“ ist zwar ein psychologisch interessantes Oxymoron, sonst aber nicht sonderlich lehrreich.

Dieser Text erschien am 13. Mai 2017 auf meiner Facebook-Seite.

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Nachtrag, 14. Mai:

Dieser Text steht jetzt gut 24 Stunden online. Laut FB hat er derzeit mehr als 700.000 Menschen erreicht und wurde weit über 2.000 Mal kommentiert. Ich habe jeden einzelnen Kommentar gelesen und auf etliche auch geantwortet. Ich bedanke mich sehr für Ihr Interesse und die vielen Reaktionen! Morgen gibt’s dann wieder eine ZiB2. Ich würde mich freuen, wenn Sie dabei sind. Und wenn Ihnen was auffällt, schreiben Sie mir doch ein Mail.
Einen Schönen Abend noch!