Die neuen Partei-Organe

Seit einigen Monaten gibt es eine ganze Welle neuer Online-Medien, die entweder direkt von Parteien betrieben werden oder von Menschen, die Parteien nahestehen. Sie nennen sich Exxpress, ZackZack oder ZurSache.

ZurSache ist eine Website, die dem ÖVP-Parlamentsklub gehört, wie auch ganz offen im Impressum steht. (Der SPÖ-Klub gibt schon länger kontrast heraus.) Die Redaktion besteht aus dem langjährigen Medien-Profi Claus Reitan, einst News– und Furche-Chefredakteur, und zwei jungen Partei-Mitarbeitern. Jeden Tag stellen die drei Herren eine Mischung aus ÖVP-Presseaussendungen und recht altbackener Parteizeitungs-Agitation online.

ZurSache-Screenshot

Aber ein „Artikel“ diese Woche ist selbst für ein Parteiorgan ziemlich ungewöhnlich. Zwischen zwei Oppositions-Politiker·innen ist Falter-Chefredakteur Florian Klenk zu sehen – unter der Headline „Das Kartenhaus der Opposition bricht zusammen“.

Warum ist das mehr als übliche politische Polemik?

Von den vielen Untergriffen Donald Trumps und seines Propaganda-Chefs Steve Bannon war es einer der übelsten, kritische Medien und Journalist·innen als „the opposition party“ zu framen. Professionelle Medien berichten üblicherweise kritisch über Mächtige in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – das ist als „public watchdog“ ihr Auftrag. Aber sie sind keine Partei im politischen Wettbewerb.

In einem historischen Urteilsspruch über Medien und ihre „grundlegende Rolle in unserer Demokratie“ hat das ein Richter des US-Supreme Court einmal so erklärt: „Die Aufgabe der Presse ist es, den Regierten zu dienen, nicht den Regierenden.“

Die ÖVP-Website greift nun in die gleiche Trickkiste wie Trump und erklärt den kritischen Falter zu einem Teil der „Opposition“, mit der klaren Absicht, die Berichterstattung zu delegitimieren: Die Zeitung berichte eben nicht kritisch über die ÖVP, weil sie etwas Kritikwürdiges recherchiert hat, sondern weil die Opposition grundsätzlich die Regierung kritisiert. Das muss man dann ja nicht weiter ernst nehmen.

PROPAGANDA STATT JOURNALISMUS

Ich halte diese neue Welle an Partei- und parteinahen PR-Medien – egal welcher Schattierung – für grundsätzlich problematisch. Ihr Ziel ist jedenfalls nicht journalistische Aufklärung, nicht „the best obtainable version of the truth“ (Carl Bernstein), also die bestmögliche Annäherung an die Wahrheit – sondern interessengeleitete Propaganda.

Problematisch ist das, weil diese Aufrüstung der PR-Medien ausgerechnet in einer Zeit kommt, in der allen seriösen journalistischen Medien durch Wirtschaftskrise und Digitalisierung massiv Einnahmen wegbrechen und redaktionelle Ressourcen knapp werden. Die neuen Parteimedien hingegen müssen sich wirtschaftlich nicht selbst erhalten, sie werden entweder aus der öffentlichen Parteienförderung finanziert oder durch wohlhabende Unterstützer·innen. (Ich habe dazu vor einiger Zeit einen recht grundsätzlichen Vortrag gehalten.)

Weil es das Netz aber möglich macht, recht günstig halbwegs professionell aussehende Seiten zu bauen und Links dorthin über gesponserte Postings und Parteifunktionär·innen auf Social Media flächendeckend zu verbreiten, verwechseln viele die Propaganda-Postings in ihren Newsfeeds mit echten Medien.

Zwischen Journalismus und PR gibt es jedoch einen ganz zentralen Unterschied: Professionelle Journalist·innen recherchieren ergebnisoffen und berichten, was sie dabei herausfinden. Propaganda verkauft eine festgelegte Position. Die einen wollen aufklären, die anderen wollen überzeugen.
Und das ist nicht dasselbe.

“FLOOD THE ZONE WITH SHIT“

Das immer interessante Ö1-Medienmagazin Double Check hat zu den jüngsten PR-Gründungen – Exxpress, ZackZack, ZurSache –  kürzlich einen aufschlussreichen Beitrag gebracht. Was darin nicht vorkommt, sind ältere PR-Medien wie der SPÖ-Parteiblog kontrast, FPÖ-TV oder die Rechtsaußen-Websites unzensuriert, Wochenblick oder info-direkt.

Die FPÖ hat – weil sie sich vom etablierten Journalismus schlecht behandelt fühlte – schon sehr früh auf eigene Medien gesetzt und die Digitalisierung hat ihr dabei enorm geholfen. Eine klassische gedruckte Parteizeitung wie die Neue Freie Zeitung oder ein parteinahes Printmagazin wie ZurZeit erreichen in der Regel ja nur Funktionär·innen und Sympathisant·innen, wer anderer wird in der Trafik kaum dafür Geld ausgeben. Deshalb sind die traditionellen Partei-Tageszeitungen wie die AZ der SPÖ, die Volksstimme der KPÖ oder die Südost-Tagespost der ÖVP längst Geschichte (nur das ÖVP-Volksblatt in Oberösterreich wird noch immer gedruckt).

Doch über politische Aggro-Websites wie unzensuriert oder Wochenblick, deren permanenter Appell ans Ressentiment in der Emotionslogik der Social Media-Algorithmen extrem gut funktioniert, wird ein bemerkenswert großes Publikum erreicht. Plötzlich tauchen in zahllosen Newsfeeds und Timelines auf Facebook, Twitter oder Instagram Postings auf, die nicht anders aussehen als die Nachrichten ernsthafter Medien, die aber völlig anders funktionieren.

The real opposition is the media. And the way to deal with them is to flood the zone with shit.”  So hat Trumps skrupelloser Berater Steve Bannon, der mit der rechtsextremen Krawallseite breitbart bekannt geworden ist, die Strategie beschrieben, unliebsame politische Debatten durch brutale Propaganda einfach zu zerstören. Und wie vieles, das in der US-Medienlandschaft erfunden wurde, hat auch diese Idee mittlerweile Europa erreicht.

Der langjährige Chefredakteur der Washington Post, Marty Baron, hat auf Trumps wiederholte Kriegserklärungen an kritische Medien übrigens so reagiert: „We‘re not at war. We‘re at work.“ (Wir sind nicht im Krieg, wir sind bei der Arbeit.)
Mir hat das immer sehr gut gefallen.