Das 1×1 der (österreichischen) Neutralität

Die österreichische Neutralität wurde erst zehn Jahre nach der Gründung der Zweiten Republik beschlossen und ist kein „Baugesetz“ der Verfassung. Der Nationalrat könnte sie jederzeit mit einer Zweidrittel-Mehrheit wieder abschaffen – so wie sie auch eingeführt wurde. Eine Volksabstimmung wäre formal nicht nötig. Und doch wäre das undenkbar.

Denn wohl kaum etwas hat die Identität der Zweiten Republik so sehr definiert wie unsere „immerwährende Neutralität“ nach dem Vorbild der Schweiz. Auch wenn Österreich das Vorbild schon nach wenigen Wochen hinter sich ließ und – anders als die Schweiz – schon im Dezember 1955 UNO-Mitglied wurde. Seit dem EU-Beitritt 1995 und der Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, hat sich die Neutralität Österreichs nochmal grundlegend verändert. Und spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine stellt sich für viele Fachleute die Frage, ob sie noch zeitgemäß ist.

Wirklich geführt wird diese Debatte jedoch nicht. In der Bevölkerung ist die Neutralität unverändert populär – in jeder Meinungsumfrage sind zwei Drittel bis drei Viertel der Befragten dafür. Dementsprechend gering ist auch die Lust von Politiker·innen, sich der Debatte zu stellen. Oder wie 2022 der damalige Kanzler Karl Nehammer verkündete: „Österreich war neutral, Österreich ist neutral, Österreich wird auch neutral bleiben”. Immerwährend halt.


Nun haben allerdings mehr als 20 Politolog·innen, Völkerrechtler·innen und Diplomaten einen sehr lesenswerten Sammelband zur (österreichischen) Neutralität vorgelegt, der sie in 23 Kapiteln umfassend analysiert – von ihren historischen Grundlagen, ihrer ethischen Dimension, ihrer rechtlichen Verankerung und ihrer Weiterentwicklung bis zum Vergleich mit der Schweiz, Irland, Malta und mit Schweden und Finnland, die nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ihre Bündnisfreiheit zugunsten eines NATO-Beitritts aufgaben. (Aus dem Beitrag des Verfassungsjuristen Peter Bußjäger lernt man übrigens, das zwar die Abschaffung der österreichischen Neutralität formal ohne Volksabstimmung möglich wäre, nicht jedoch ein Beitritt zur NATO.)

Und das Tollste an dem Buch – der gesamte 415seitige Band steht frei verfügbar als PDF im Netz. Große Empfehlung!

Pingpong, Pool & Politik

Die Idee kam Peter Rabl im Sommer 1981. Der spätere PROFIL- und KURIER-Chefredakteur leitete damals das ORF-Wochenmagazin „Politik am Freitag“ und ahnte vor seiner Sendung ein bedrohliches innenpolitisches Sommerloch. Also beschloss er, drei Ausgaben im August mit ausführlichen Interviews zu füllen – mit den Chefs der drei Parlamentsparteien. Weil es ja Hochsommer war, ganz entspannt im Freien, in ihrem privaten Umfeld. Die ORF-Sommergespräche waren geboren – und die Premiere ist bis heute legendär.

Das erste Gespräch mit dem Chef der kleinsten Partei, mit Norbert Steger von der FPÖ, fand in dessen Ferienhaus in Kärnten statt. Es war brüllend heiß und im Vorfeld wurde dem ORF-Team empfohlen, doch Badesachen mitzubringen. Es gäbe einen Pool, in dem man sich nach getaner Arbeit erfrischen könnte.

Aber noch während des Interviews hatte Rabl – so erzählt er es 44 Jahre später – spontan die Idee, das Gespräch doch im Pool zu Ende zu führen. Norbert Steger stieg darauf ein und in seine Badehose, hechtete vor laufenden Kameras ins Becken und beantwortete dem Interviewer im Wasser stehend noch ein paar Fragen. Stegers Pressesprecherin, später eine bekannte ORF-Journalistin, saß im Bikini am Beckenrand, Kamera- und Tonmann arbeiteten oben ohne.

Norbert Steger und Peter Rabl mit FPÖ-Mitarbeiter·innen im Pool, rundherum das ORF-Team
Screenshot

Niemand kann sich mehr an die letzten Fragen und Antworten dieses Sommergesprächs erinnern – aber die Bilder haben Fernsehgeschichte gemacht und wurden in den Jahrzehnten seither nur ein einziges Mal (fast) übertroffen. Eine Woche später …

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