Alois Mock und Peter Rabl spielen während des ORF-Sommergesprächs 1981 Pingpong

Pingpong, Pool & Politik

Die Idee kam Peter Rabl im Sommer 1981. Der spätere PROFIL- und KURIER-Chefredakteur leitete damals das ORF-Wochenmagazin „Politik am Freitag“ und sah vor seiner Sendung ein bedrohliches innenpolitisches Sommerloch. Also beschloss er, drei Ausgaben im August mit ausführlichen Interviews zu füllen – mit den Chefs der drei Parlamentsparteien. Weil es ja Hochsommer war, ganz entspannt im Freien, in ihrem privaten Umfeld. Die ORF-Sommergespräche waren geboren – und die Premiere ist bis heute legendär.

Das erste Gespräch mit dem Chef der kleinsten Partei, mit Norbert Steger von der FPÖ, fand in dessen Ferienhaus in Kärnten statt. Es war brüllend heiß und im Vorfeld wurde dem ORF-Team empfohlen, doch Badesachen mitzubringen. Es gäbe einen Pool, in dem man sich nach getaner Arbeit noch erfrischen könnte.

Aber noch während des Interviews hatte Rabl – so erzählt er es 44 Jahre später – spontan die Idee, das Gespräch doch im Pool zu Ende zu führen. Norbert Steger stieg darauf ein und in seine Badehose, hechtete vor laufenden Kameras vom Beckenrand und beantwortete dem Interviewer im Wasser stehend noch ein paar Fragen. Stegers Sprecherin, später eine bekannte ORF-Journalistin, saß im Bikini am Beckenrand, Kamera- und Tonmann arbeiteten oben ohne.

Norbert Steger und Peter Rabl mit FPÖ-Mitarbeiter·innen im Pool, rundherum das ORF-Team
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Niemand kann sich mehr an die letzten Fragen und Antworten dieses Sommergesprächs erinnern – aber die Bilder haben Fernsehgeschichte gemacht und wurden in den Jahrzehnten seither nur ein einziges Mal (fast) übertroffen. Eine Woche später.

Den ÖVP-Obmann besuchte Peter Rabl in seinem Vorarlberger Urlaubsort. Dort stieg Alois Mock für das ORF-Team nicht in den Pool, aber aufs Rennrad. In kurzen Hosen und langen Stutzen radelte er den Kameras entgegen, um dann mit Rabl – während des Interviews – Pingpong zu spielen (siehe oben). Tischtennis kann man es ehrlicherweise nicht nennen.

Alois Mock kommt am Rennrad zum Sommergespräch 1981
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Gast im dritten Sommergespräch war der SPÖ-Vorsitzende und Langzeit-Regierungschef Bruno Kreisky, an sich als „Journalisten-Kanzler“ legendär. Doch Kreisky verweigerte sich allzu privaten Inszenierungen, das gesamte Interview wurde seriös am Tisch geführt, aber immerhin im Garten der berühmten „Kreisky-Villa“ in Wien Döbling, also am privaten Wohnsitz des Kanzlers.

Bruno Kreisky und Franz Kreuzer beim Sommergespräch 1981 im Garten der Kreisky-Villa
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Nachsehen kann man all dies in einer sehr schönen Dokumentation, die Julia Ortner über „40 Jahre Sommergespräche“ gestaltet hat. Und warum fast alles, was da aus den frühen Jahren zu sehen ist, heute undenkbar wäre – darüber spreche ich mit dem Politologen Peter Filzmaier in der neuesten Episode unseres Podcasts „Der Professor und der Wolf“ mit dem Thema politische Kommunikation.

Zu wenig Zeit war im Podcast leider für ein wenig Statistik. Die meisten Sommergespräche hat nicht ihr Erfinder Peter Rabl geführt, sondern sein „Politik am Freitag“-Kollege Johannes Fischer. 19 Mal befragte Fischer im Sommer die Parteichefs, darunter 1988 auch Jörg Haider auf einer Kärtner Alm. Aus diesem Interview stammt das bis heute berühmteste Sommergespräche-Zitat: „Sie wissen so gut wie ich, dass die österreichische Nation eine Missgeburt, eine ideologische Missgeburt gewesen ist.“

Jörg Haider und Johannes Fischer beim Sommergespräch 1988

16 Sommergespräche hat der ehemalige Info-Direktor Rudolf Nagiller geführt (unten mit Fred Sinowatz) und 15 die damalige ZiB2-Moderatorin Ingrid Thurnher. Peter Rabl, der Erfinder der Reihe, ist nicht unter den Top 3 – auch weil in den ersten Jahren die Sommergespräche mit den SPÖ-Vorsitzenden nicht er geführt hat. Die Kanzlerpartei hatte sich ORF-Intendant Franz Kreuzer vorbehalten, was heute undenkbar wäre, erst recht, da Kreuzer – ein hervorragender Journalist – vor seiner ORF-Zeit Chefredakteur der AZ war, des SPÖ-Parteiorgans.

Aus heutiger Sicht ist auch bemerkenswert, dass Bruno Kreisky – der kritische Interviews in seinen späten Kanzler-Jahren nicht mehr sonderlich schätzte – sich bereits im zweiten Jahr vertreten ließ, vom geschäftsführenden SPÖ-Chef Karl Blecha. 1983 saß dann Fred Sinowatz in seinem Garten im burgenländischen Neufeld, obwohl er damals noch gar nicht Parteivorsitzender war.

Fred Sinowatz und Rudolf Nagiller beim ORF-Sommergespräch 1984
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Niemand war jedoch häufiger zu Gast in den Sommergesprächen als Jörg Haider: 13 Mal als Langzeit-Obmann der FPÖ und 2005 als Chef des neugründeten BZÖ (damals durfte ich auf der anderen Seite des Tisches sitzen. Warum das eher kein Vergnügen ist, erzähle ich im Podcast.) Zwölf Mal war Haider-Nachfolger Heinz-Christian Strache zu Gast, elf Mal Alexander Van der Bellen als Bundessprecher der Grünen und je zehn Mal Franz Vranitzky und Wolfgang Schüssel.

Quoten-Sieger ist jedoch ein anderer: Die meistgesehenen Sommergespräche seit 1981 waren die Interviews mit Sebastian Kurz vor der Nationalratswahl 2017 (er hatte kurz zuvor die ÖVP übernommen) und 2019 (Kurz war nach der Ibiza-Affäre als Kanzler abgewählt worden). Beide Gespräche hatten mehr als eine Million Zuseher·innen. Ein weiteres Interview wurde ähnlich viel gesehen: Mit Heinz-Christian Strache 2015, als die Flüchtlingskrise begann.

Sebastian Kurz und Tobias Pötzelsberger beim ORF-Sommergespräch 2019

Sonst zeigt sich in der Statistik: FPÖ-Chefs bringen Quote (weil sie maximal polarisieren) und neue Parteivorsitzende in Wahljahren (Kurz, Kern, Rendi-Wagner, Hofer). Die meistgesehenen Sommergespräche fanden übrigens alle in den letzten zehn Jahren statt, was auf den ersten Blick überraschend ist, da es heute ja viel mehr mediale Konkurrenz gibt als vor 30 dier 40 Jahren.

Die Erklärung: Seit 2012 wird die Interview-Serie immer montags um 21h05 direkt nach den „Liebensg‘schichten und Heiratssachen“ ausgestrahlt, einer der meistgesehenen ORF-Sendungen überhaupt. Bei den Sommergesprächen vereint sich dann das Publikum der Kuppel-Serie mit den Politik-Interessierten. (Zwischen 21h00 und 22h00 ist auch die Tageszeit, zu der grundsätzlich am meisten ferngesehen wird.)

Meistens werden die Gespräche „quasi-live“ aufgenommen. Die Aufzeichnung beginnt kurz vor dem Sendetermin – wenn im Freien gefilmt wird, meist rund um den Sonnenuntergang, um die schönste Lichtstimmung zu erwischen. Um 21h00 wäre es sonst Ende August schon zu finster. Aber es wird kein Satz geschnitten oder gekürzt, die Interviews sind kurz darauf 1:1 zu sehen.

Und seit 2014 werden die Sommergespräche auch gleich anschließend in der ZiB2 live analysiert – praktisch immer von Peter Filzmaier und meist mit einer führenden Innnenpolitik-Journalistin einer Zeitung. Das wird auch dieses Jahr so sein.

Ab 11. August erwarten wir Sie im ZiB2-Studio zur Analyse des ersten Sommergesprächs 2025 mit Klaus Webhofer als Interviewer und Eleonore Gewessler von den Grünen als Gast. Es wird keinen Pool geben, kein Pingpong, aber viel Politik.