Die FPÖ, Andreas Mölzer und das „N-Wort“

Interessant. Vor zwei Tagen hat mir FPÖ-Chef Strache in der ZiB2 noch erklärt, das „N-Wort“ verwende er zwar nicht, es sei aber „nicht grundsätzlich rassistisch“ und „nicht generell zu verurteilen“, weil in der Kindersendung „Helmi“ in den 1980er Jahren sei es ja auch vorgekommen.

Und mit Andreas Mölzers Wochenzeitung ZUR ZEIT und ihren rassistischen Texten hätte die FPÖ überhaupt nix zu tun.

Heute klingt das alles plötzlich völlig anders. Zum „N-Wort“ sagt Strache nun: „Ich selbst verwende einen anderen Begriff dafür – und würde mich freuen, wenn wir alle einen anderen Begriff verwenden“.

Und sein Generalsekretär Vilmsky legt Mölzer jun. sehr deutlich nahe, seinen Chefredakteurs-Job bei ZUR ZEIT als Nachfolger seines Vaters wieder bleiben zu lassen, wenn er in der FPÖ eine Zukunft haben wolle. „Distanz zwischen Partei und Zeitung täte gut“, sagt Vilimsky im KURIER.

Spannend, was sich in einer Partei innerhalb von 36 Stunden alles tun kann. Ich vermute mal, Straches ZiB2-Auftritt war nicht völlig unschuldig daran.

PS: Ich moderiere die ZiB2 jetzt seit zwölf Jahren. Einen derartigen Ausbruch von purem Hass und wüsten Beschimpfungen wie nach dem Interview vorgestern auf meiner FB-Seite und teilweise in meiner Mailbox habe ich aber nur einmal erlebt – nach unserem sehr kritischen ZiB2-Spezial am Tag von Jörg Haiders Unfall.

Etliche Menschen in dem Land scheinen ziemlich viel Aggression mit sich rumzutragen. Man muss das Interview echt nicht mögen (wobei: es kamen in Summe mehr positive Reaktionen) – aber: „Du gehässiges Dreckschwein!!!“, „größtes Arschloch der österreichischen Medienlandschaft“, „Ich hasse Dich!!!!!“ uä. wegen eines TV-Interviews … das fand ich schon ziemlich erstaunlich.


Facebook-Posting vom 8. April 2014:

AUF HAIDERS SPUREN?

Heute ist der wahrscheinlich interessanteste Tag in der FPÖ seit der „Wiedervereinigung“ mit der FPK 2009. Dass Parteichef Strache das freiheitliche Urgestein Andreas Mölzer nicht nur als Spitzenkandidaten für die EU-Wahl zurückzieht sondern völlig von der Kandidatenliste streicht, ist ein echter Bruch.

Es könnte das Signal sein, dass Strache sich nachhaltig von den Repräsentanten des rechtsnationalen Kerns trennen will, um seine Partei möglichst breit und regierungsfähig aufzustellen.

Mölzers Problem

Auffällig ist, dass sich der eher konfliktscheue Strache – für seine Verhältnisse – relativ rasch und klar entschlossen hat. Barbara Rosenkranz als Präsidentschaftskandidatin hatte er in einer ähnlichen Situation (Verbotsgesetz-Debatte) noch nicht „derhoben“, für die Demontage von Martin Graf nach der Stiftungs-Affäre hatte er noch viele Monate gebraucht.

Andreas Mölzer ist letztlich über seine Lust an der Provokation (siehe ZiB2-Interview vom 25. März) und seine Eitelkeit gestolpert – und ironischerweise über einen zwei Jahre alten Artikel. Seine grundsätzliche politische Haltung war dem FPÖ-Vorstand, der ihn zum Spitzenkandidaten bestellt hatte, ja nicht unbekannt. Aber NS-Vergleiche und rassistische Dummheiten wie „N…..Konglomerat“ sind im Wahlkampf dann doch nicht sehr hilfreich.

Und Österreichs Fussballer des Herzens rassistisch zu beflegeln kommt bei einer selbsterklärten „Österreich“-Partei, deren Wähler sich nicht zuletzt im Fussballstadion finden, schon gar nicht gut. Auch wenn der Alaba-Artikel aus „Zur Zeit“ schon Jahre alt und erst jetzt aufgetaucht ist.

Ohne Streit ging Mölzers Absetzung aber nicht ab. Strache hatte ihm gestern unter vier Augen gesagt, er habe bis Mittwoch Zeit, seine Kandidatur von sich aus zurückzuziehen sonst würde der Vorstand ihn von der Liste streichen.Aber Mölzer hat heute früh nur erklärt, er ziehe sich „von der Spitzenkandidatur“ zurück. Das hat in der Parteizentrale massiven Ärger ausgelöst – sodass Generalsekretär Kickl per Aussendung erklären musste, was Sache ist: Mölzer kandidiert gar nicht mehr.

Mölzers Rauswurf als Risiko

Für Strache ist das nicht ohne Risiko. Mölzer ist in der FPÖ zwar ein Einzelkämpfer aber seine Wochenzeitung gilt als eine Art inoffizielles Parteiorgan. Schon einmal – 2004 – hat sich Mölzer gegen den Willen der damaligen Parteispitze nur über seine Zeitung mit Vorzugsstimmen ins EU-Parlament kampagnisiert. Das geht nun nicht mehr, weil er gar nicht mehr auf der Liste stehen wird. Aber Mölzer könnte mit seiner Zeitung trotzdem sehr unangenehm werden.

Könnte. Denn die FPÖ-Spitze setzt hier auf eine interessante personelle Konstellation. Mölzer ist seit kurzem „nur“ mehr Herausgeber von ZUR ZEIT. Chefredakteur ist sein Sohn Wendelin – aber der wurde bei der letzten Nationalratswahl vom FPÖ-Klubreferenten zum Abgeordneten befördert und ist im Klub auch gut gelitten. Nun hoffen alle, dass Mölzer seinem Sohn nicht die politische Zukunft in der FPÖ verbauen wird, in dem er einen massiven öffentlichen Konflikt startet.

Und möglicherweise könnte das eine oder andere Inserat in ZUR ZEIT über die verlorene Infrastruktur im EU-Parlament (wo Mölzer auch ZUR ZEIT-Mitarbeiter beschäftigt, wie der STANDARD heute beschreibt) hinwegtrösten.

Abschied von den Rechtsnationalen?

Spannender als das Schicksal Mölzers ist aber die Frage, wie ernst es Strache damit ist, die FPÖ regierungsfähiger zu machen, indem er sich von genau jenem Teil der Partei trennt, der ihn an die Macht gebracht hat – von den Stadlers, Grafs, Rosenkranz‘ und Mölzers.

Es ist ein ähnliches Experiment wie es einst auch Jörg Haider versucht hat – von der rechtsnationalen Oppositionstruppe zur populistischen aber koalitionsfähigen Bewegung. Langfristig gelungen ist das Experiment bekanntermaßen nicht. Die Regierungspartei FPÖ hat es – unter kräftiger Mithilfe Haiders – spektakulär zerrissen, später musste er sogar eine neue Partei gründen. Ohne Mölzer. Der blieb 2005 bei Strache.

Jetzt mag ihn Strache nicht mehr. Das wird noch interessant.