Warnung: Wie Medien Rechtsextreme groß machen

Es ist einer der erfolgreichsten Fälle von politischem Product-Placement, den ich je gesehen habe: Seit einiger Zeit gibt es auch in Österreich einen rechtsextremen Verein, der sich inhaltlich nicht weiter von jeder x-beliebigen schlagenden Burschenschaft unterscheidet und zahlenmäßig jedenfalls nicht größer ist.

Die Parolen der Truppe stammen aus dem handelsüblichen rechtsextremen Verschwörungs-Setzkasten („geplanter Bevölkerungsausstausch“ und ähnlicher Schwachsinn). Experten qualifizieren sie als „neofaschistisch“, der Verfassungsschutz stuft sie als „rechtsextrem“ ein (mit zahlreichen Aktivisten, die aus der heimischen Neonazi-Szene stammen), ich habe sie auf Twitter aufgrund ihrer Inszenierung mal eine Art „Reserve-SA für Wohlstandsverwahrloste“ genannt.

Das einzige, was den Verein von einer beliebigen Wehrsportgruppe unterscheidet: Die wenigen Dutzend Mitglieder tragen keine Uniformen, Springerstiefel und Skinhead-Glatzen sondern Polos, Sneakers und normale Frisuren, sie sind offenbar halbwegs alphabetisiert und vor allem haben sie eine sehr ausgeklügelte PR-Strategie.

Social Media-Faschisten

Die besteht aus einer eigenen „Marke“ samt Logo, einer Art pseudointellektuell-ideologischem „Überbau“ für ihren offenen Rassismus, dem überlegten Einsatz von Social Media und vor allem provokantem Aktionismus. Sehr gezielt stören die Rechtextremen symbolisch aufgeladene Veranstaltungen wie die Flüchtlings-Besetzung in der Votivkirche, eine Theateraufführung im Wiener Audimax oder letzte Woche eine Uni-Lehrveranstaltung zum Thema Migration in Klagenfurt.

Weil die „Ziele“ so genau ausgewählt sind, sind es üblicherweise Störaktionen, über die seriöse Medien berichten müssen. Aber was mir seit Monaten – und erst recht seit letzter Woche – ein völliges Rätsel ist: Warum nahezu alle Medien (auch jenes, für das ich arbeite), in diesem Ausmaß auf die so offensichtlich kalkulierte PR-Masche der Rechtsextremen einsteigen und sich davon instrumentalisieren lassen.

Das heißt natürlich nicht, dass man nicht über die Störaktionen berichten soll, wenn sie berichtenswert sind. Aber warum nicht schlicht: „Rechtsextreme haben gestern Abend an der Uni Klagenfurt eine Lehrveranstaltung gestört und dabei den Rektor tätlich angegriffen“? Ende. Kein Vereinsname, kein Logo, keine Videos, keine Werbung. (Deshalb gibt es auch zu diesem Beitrag hier kein Foto.)

Realpolitisch bedeutungslos

Wer den Verein googelt, findet aber alleine in den letzten Tagen dutzende große Medienberichte – bis hin zu Online-Livereportagen über eine Demo am Samstag, bei der einige Idioten den Rechtsextremen auch noch die Freude gemacht haben, gewalttätig zu werden (ein Demonstrant aus Deutschland wurde offenbar schwer verletzt. Was natürlich durch nichts zu rechtfertigen ist).

Wie groß kann man eine Truppe von 30, 40 realpolitisch bedeutungslosen Hobby-Faschisten eigentlich machen?

In jeder „Bude“ einer schlagenden Burschenschaft sitzen genauso viele Spätpubertierende mit identischen politischen Ansichten vor ihren Bierkrügen und kein seriöses Medium käme auf die Idee, deren Obmann zu porträtieren oder eine Live-Reportage aus ihrem Vereinslokal zu tickern.

Analysieren, nicht promoten

Das heißt nun wahrlich nicht, dass Medien nicht sensibel gegenüber politischem Extremismus sein sollen (die Zahl rechtsextremer Straftaten ist in Ö. übrigens um ein Vielfaches höher als jene linksextremer). Natürlich sind Analysen über den Einfluss schlagender Burschenschaften oder extremer Ideologien auf den politischen Diskurs im Land eminent wichtig. Und selbstverständlich kann und soll man gegen Rechtsextremismus und Rassismus auf die Straße gehen. Friedlich.

Aber ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie sehr sich die paar Typen seit Tagen über den Erfolg ihrer Medienarbeit abhauen. Und alleine, dass ich hier einen langen Text zu dem Thema schreibe, zeigt ja, wie ambivalent das Thema ist.

Um nicht missverstanden zu werden: Dass extremistische Vereine wie dieser vom Verfassungsschutz intensiv beobachtet gehören, ist ja gar keine Frage. Und meine Position zur Medienberichterstattung ist natürlich nur schlüssig, wenn meine Diagnose stimmt, dass diese spezielle Truppe (jedenfalls derzeit) politisch irrelevant, weil lächerlich klein, ist. Ich bin überzeugt, sie ist in Österreich vor allem ein Medienphänomen – und wenn sie relevanter wird, dann v.a. wegen ihres Medienerfolgs.

Sollte ich ihre Bedeutung allerdings unterschätzen (und ich lasse mich da gerne aufklären), stimmt natürlich auch meine These zum Verhalten der Medien nicht.

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PS: Ich weiß, dass ein Sprecher des Vereins vor einigen Monaten in einer ORF-Diskussionssendung über Flüchtlinge eingeladen war. Ich habe meine Meinung dazu intern ausführlich geäußert.