Gerold Riedmann

Der schnelle Geri

Gestern Abend wurde Gerold Riedmann, der Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten und Geschäftsführer von Russmedia als österreichischer „Medienmanager des Jahres“ ausgezeichnet (neben vielen tollen Journalist*innen und dem ORF als „Redaktion des Jahres“ – mehr dazu hier, Fotos von der Veranstaltung hier). Ich durfte die Laudatio für ihn halten:


Soweit ich das sehe, ist Gerold Riedmann – mit Ausnahme von Eva Dichand im Jahr 2005 – der bisher jüngste „Medienmanager des Jahres“. Und trotzdem müsste man fragen: Warum eigentlich erst jetzt?

Man hätte ihn genausogut schon letztes Jahr auszeichnen können oder vorletztes, oder auch vor 31.

Im Herbst 1988 hat Gerold Riedmann sein erstes Medium gegründet. Er war damals elf. Das Internet hatte er damals noch nicht erfunden, also musste er ganz klassisch im Print-Bereich beginnen. Das Magazin hieß GERI. (Wie sagt Robert Hochner: Das Archiv ist die Rache des Laudators am Geehrten.)

Titelbild GERI-Magazin 1988

GERI war, muss man sagen, ja eine durchaus selbstbewusste Titel-Entscheidung. Ich mein, nichtmal Wolfgang Fellner hatte die Nerven, den „Rennbahn-Express“ WOLFI zu nennen.

Beim GERI-Magazin war der Geri Riedmann Chefredakteur, Geschäftsführer, Stratege, Vertriebler und Marketing-Mann – also ziemlich genau das, was er heute auch noch ist. Die Auflage war damals noch etwas geringer: 15 Stück steht im Impressum.

Aber nicht nur die Titelwahl war selbstbewusst, auf Seite 2 kann man auch die Warnung zu lesen: „Achtung: Wer einen Fehler findet, darf ihn behalten“.  Drei Rufzeichen.

Was ein bisserl keck war – direkt unter einem Artikel, in dem das schöne Gemüse Aubergine vorkommt. Im GERI wurde Aubergine allerdings so geschrieben wie Kellner und Gleis – also „Oberschiene“. So einen Fehler behält man natürlich gerne.


Ausschnitt GERI-Magazin


Drunter steht übrigens noch eine weitere Warnung: „Jeder Dritte, der eine negative Kritik bei der GERI-Redaktion abgibt, wird erschossen. Zwei waren heute schon hier.“  19 Rufzeichen.

Ich habe mich deshalb entschieden, Gerold Riedmann lieber zu loben.

Mit elf war also klar, wo es mit dem Geri aus Rankweil beruflich hingehen wird: Irgendwas mit Medien. Er war da auch erblich vorbelastet, sein Vater war Tonmeister beim ORF in Dornbirn und Gerold und sein Bruder Bernhard – heute Redakteur beim SPIEGEL – sind daheim zwischen alten Tonbandmaschinen, Aufnahmegeräten und der ausgemusterten Telefonanlage des Landesstudios aufgewachsen – und haben unterm Schreibtisch Radiosendungen produziert, die außer ihnen niemand gehört hat.

Flugblatt PfarrblattDie Eva Dichand war damals gerade 15 und hieß noch Kriebernegg mit Nachnamen – da war das GERI-Magazin schon eine Gratis-Zeitung, allerdings ohne Inserate. Und weil der junge Verleger früh erkannt hat, dass dieses Business-Modell noch Schwächen hat, hat er den GERI querfinanziert, indem er in Rankweil in der Südtiroler Straße das Pfarrblatt ausgetragen hat – und das auch per selbst-designtem Flyer der Zielgruppe kundgemacht hat.

Wenig später, an der Handelsakademie, hat er einen Lokalführer für Feldkirch produziert. Der ist leider in den Archiven nicht mehr auffindbar – hatte aber schon Inserate. Sogar sehr viele Inserate, vom Herausgeber und Chefredakteur persönlich aquieriert, so eine Art „Extradienst“ für die Feldkircher Gastronomie, sagen Zeitzeugen.

Damals war der Medienmanager eigentlich schon fertig.

Gleich nach dem Zivildienst beim Rankweiler Pfarrblatt – dann schon nicht mehr als Kolporteur, sondern als Redakteur – hat die hauptberufliche Medienkarriere begonnen: In München, im großen Reich von Leo Kirch bei TV-München/Sat1-Bayern, bei Radio Gong und in der Multimedia-Agentur von Tommy Aigner (die Älteren unter uns erinnern sich: „Treffpunkt Ö3“, der Fesche neben Dominik Heinzl).

Dort hat Gerold, mittlerweile Anfang 20, dann das Internet miterfunden – und unter anderem den Webauftritt der RTL-Sendung „Big Brother“ gestaltet. (Was Sie bis heute Abend nicht gewusst haben…) Mit 25 war Gerold zum ersten Mal Chefredakteur, in einer Art frühen Online-Agentur.

Dann hat es ihn aber doch wieder nach Vorarlberg zurückgezogen und dort gibt es für Medienleute bekanntlich nur zwei Adressen: Das kleine ORF-Landesstudio – und das große Reich von Eugen Russ. Zum Glück für Alexander Wrabetz ist der junge Riedmann zu Russ gegangen, sonst wäre er heute wahrscheinlich ORF-Chef.


Auschnitt GERI


So ist er jetzt Chef bei Eugen Russ. Und zwar Multi-Chef. Als einer der Geschäftsführer von Russ Media, der Russ Media Digital GmbH und als Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.

Und das Faszinierende an Gerold Riedmann ist, dass er alle diese Jobs gleich fantastisch kann: „Er ist in seiner Verknüpfung von inhaltlicher, organisatorischer und konzeptioneller Verantwortung der Prototyp des unternehmerischen Journalisten für die digitale Ära.“ So hat es die Jury in ihrer Begründung zur Wahl geschrieben – und es stimmt: Er kann wirklich alles.

Gerold ist – wie jeder seiner Leitartikel beweist – ein fabelhafter Journalist und nicht umsonst war er genau zehn Jahre vor dem „Medienmanager des Jahres“ auch schon Vorarlberger „Journalist des Jahres“.

Ich habe letzte Woche einen sehr medienaffinen Freund in Vorarlberg gefragt, ob die VN in den letzten Jahren denn besser geworden sind. Er hat geantwortet: „Ich finde, sie wird praktisch jede Woche noch besser.“ Ein größeres Kompliment kann ein Blattmacher und Chefredakteur kaum kriegen.

Mit den rund 450 Menschen, die er managt, macht Gerold Riedmann aber nicht nur die erfolgreichste Lokalzeitung Österreichs, sondern auch die erfolgreichste regionale Online-Plattform.

Vorarlberg ist ja das einzige Bundesland, in dem nicht orf.at das stärkste Online-Medium ist, sondern vol.at, wo er Geschäftsführer und Mastermind ist. 90 Prozent aller Vorarlberger haben jeden Tag Kontakt mit einem Russmedia-Produkt – für 2025 werden knapp 110 Prozent prognostiziert.

Gerold Riedmann bei der Preisverleihung
Foto: Medienfachverlag Oberauer/Schedl

Gerold selbst sagt, er habe in allen seinen Jobs versucht, „verschiedene Medien miteinander zu verbinden und digital neu zu interpretieren“. Und ich kenne in unserer Branche niemanden, der dabei einfallsreicher, fleißiger und innovativer ist.

Ob das ein von ihm moderierter VN-Sporttalk mit Marcel Hirscher ist, der gleichzeitig ein knallvolles Live-Event, ein großes Zeitungs-Interview und ein professionelles Video wird. Ob es Live-Streams von der Amateur-Fussballliga sind, Ländle-Punkte als gigantische Gamification-Anwendung zur Kundenbindung, Podcasts, Live-Ticker oder digitale Todesanzeigen, vn.at als Premium-Bezahlportal neben der Quotenmaschine vol.at, sein tägliches Morning-Briefing, das er als erster Chefredakteur in Österreich begonnen hat, oder die zahllosen Veranstaltungen, die er organisiert und häufig auch moderiert, vom Unternehmer-Stammtisch im Bregenzer Wald über die Familien-Schifffahrt am Bodensee bis zur hochklassigen Digitalkonferenz.

Die Digitalkonferenz im kleinen Vorarlberg ist dann deshalb so groß besetzt, weil kein anderer heimischer Medienmanager seiner Generation international derart vernetzt ist. Es gibt keine wichtige Medienkonferenz, bei der Gerold nicht schon auf der Bühne stand oder gar im Präsidium sitzt, derzeit etwa als Europa-Präsident der INMA, der International News Media Association.

Das Unerklärlichste dabei ist, wie er das alles zeitlich hinkriegt. Neben seinen drei Fulltime-Jobs, Netzwerken und Konferenzen geht er ja auch noch alle paar Jahre für ein paar Wochen nach Chicago oder Stanford studieren, weil er unstillbar neugierig ist und ständig dazu lernen will.

Und vor allem hat er auch noch ein bemerkenswert erfolgreiches Privatleben mit seiner Frau Verena, mit der er seit seiner Schulzeit zusammen ist, und mit drei hinreißenden Töchtern Rosa, Marie und Paula die ihn nicht nur aus der Zeitung kennen und via WhatsApp und Skype, sondern als liebevollen, engagierten Vater.

Riedmann in Sneakers
Foto: VN/Steurer

Das ist für mich übrigens auch die Erklärung, warum man Gerold immer – und zwar egal bei welchem Anlass – in bunten Sneakers sieht. Das ist ästhetisch mitunter fragwürdig, aber der Mann braucht einfach schnelle Schuhe.

Wobei er generell sehr schnell ist.

Zum Abschluss noch kurz eine – buchstäblich schnelle – persönliche Anekdote: Meine Frau und ich waren mal mit ihm auf der Rheintal-Autobahn unterwegs. Als er mir gerade recht stolz was auf dem Riesen-Bildschirm seines Tesla gezeigt hat, verreisst er plötzlich das Lenkrad nach rechts, weg von der Überholspur und es rast ein Geisterfahrer an uns vorbei. Der hat uns wirklich nur um eine Sekunde verfehlt.

Während meine Frau und ich noch fassungslos hyperventilieren, hat Gerold zuerst via Freisprechanlage die Polizei angerufen und eine Geisterfahrer-Warnung durchgegeben. Dann hat er die Nummer von vol.at gewählt und dem diensthabenden Redakteur – es war Sonntag – eine Meldung diktiert, über den Geisterfahrer auf der Rheintal-Autobahn.

Und während er mit uns weitergefahren ist und geplaudert hat, als wäre nix gewesen, hat er sich wahrscheinlich noch einen Pendler-Podcast ausgedacht. Und einen VN-Workshop für Verkehrsplaner. Und eine Geisterfahrer-App. In der gibt’s dann extra Ländle-Punkte.

Und heute den „Medienmanager des Jahres“.

Ziemlich spät – erst 31 Jahre nach dem GERI –, aber hochverdient. Herzlichen Glückwunsch!


PS: Danke für den historischen GERI und das Pfarrblatt-Flugblatt an Bernhard Riedmann, der tief im Familienarchiv gewühlt hat!