Wozu noch Journalismus?

Ich war diese Woche beim SwissMediaForum – dem zweijährlichen Treffen der Schweizer Medienbranche – eingeladen, eine Keynote zu halten, zum sehr grundsätzlichen Thema „Wozu noch Journalismus?“. Wer schon andere Vorträge von mir kennt, wird etliche Zitate und Gedanken wiedererkennen, für alle anderen ist es eine hoffentlich interessante Antwort auf die gestellte Frage.


Ich weiß nicht, ob Ihnen der Name Marc Bernier etwas sagt. Marc Bernier war in den letzten Jahrzehnten ein populärer Radiomoderator in Daytona Beach in Florida. Ein konservativer Moderator mit einer vielgehörten Talkshow, in der es vor allem um Politik ging.

In den letzten Monaten hat sich Bernier dort stolz als „Mr. Anti-Vax“ präsentiert, also als „Mr. Anti-Impfung“, und er hat fast jeden Tag die Corona-Impfkampagne der Biden-Regierung denunziert und mit den „Aktionen der Nazis“ verglichen. Ähnlich wie seine Kollegen Dick Farrel, Phil Valentine und Bob Enyart in ihren Radio-Talkshows in Florida, Tennesse und Colorado.

Alle vier hatten in ihren Sendungen im letzten Jahr nahezu kein anderes Thema als die angeblich erfundene Pandemie, die völlig überzogenen Schutzmaßnahmen, die ständigen Lügen der Regierung und die unnötige, ja extrem gefährliche Impfung.

Dementsprechend sind in den USA zwar 91 Prozent der Joe Biden-Wähler·innen gegen Covid geimpft, unter den Trump-Wähler·innen, dem typischen Publikum dieser Radio-Talkshows, sind es hingegen nur 50 Prozent.

Im August und September sind Marc Bernier, Dick Farrel, Phil Valentine und Bob Enyart binnen weniger Wochen gestorben. Alle vier nach einer Corona-Infektion. Alle vier waren zwischen 61 und 65 Jahre alt und alle vier waren – natürlich – nicht geimpft.

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„Wahres Tatsachensubstrat“

Im Jänner dieses Jahres ist auf Seite Drei des KURIER ein ganzseitiges Inserat erschienen, ein „Offener Brief“, geschaltet von mehreren obskuren Vereinen, die seit langem massiv Propaganda gegen praktisch alle Corona-Maßnahmen machen. Das Inserat war derart faktenbefreit, dass sich die Chefredakteurin des KURIER in einem eigenen Kommentar davon distanzierte – die Veröffentlichung aber damit begründete, dass „wir Meinungsfreiheit für ein unantastbares Gut halten“.

Das kann man so argumentieren. Allerdings hatte der KURIER ein paar Tage vorher einen Kommentar zu einem ZiB2-Interview von mir mit Bundeskanzler Kurz veröffentlicht, in dem ich ziemlich harsch dafür kritisiert wurde, dass ich den Kanzler mehrfach unterbrochen hatte, garniert mit Fantasien des Autors über meine angebliche „für den ORF notorische ideologische Schlagseite“.

Daraufhin habe ich diesen Tweet geschrieben:

Das hat mir wiederum ein böses Schreiben von mehreren Rechtsanwält·innen und einem Arzt eingebracht, die offenbar hinter dem KURIER-Inserat standen und die von mir eine öffentliche Entschuldigung verlangten: Sie seien keine „Corona-Leugner“. Außerdem sollte ich ihr Inserat auf meinem Twitter-Account vor knapp 500.000 Menschen veröffentlichen, andernfalls würden sie mich klagen.

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Keine Sorge, Kameraden: Es sind nicht alle links!

Alle paar Monate erscheint irgendwo ein Kommentar, der offenbar aus einem Parallel-Universum stammt, in dem die Koordinaten zu unserer Realität um einige Kilometer verschoben sind.

Diese Woche war es der Presse-Gastkommentar von Andreas Kirschhofer-Bozenhardt, der in der durchgehend „linkslastigen“ heimischen Medienlandschaft „keinen Meinungspluralismus“ findet und für „konservativ-liberale“ Österreicher und ihre politischen Ansichten „keinen sicheren Hafen“.

EINE FRAGE DES STANDORTS

Ich bin in dieser heimischen Medienlandschaft nun schon 36 Jahre lang tätig, und ich frage mich ehrlich, wie weit rechts man politisch stehen muss, um die Kronenzeitung, oe24, heute, den Kurier, Die Presse, die NÖN, die OÖN, die SN, die Tiroler Tageszeitung, die Vorarlberger Nachrichten und die Kleine Zeitung für „links“ zu halten. Möglich ist es natürlich, vom südlichen Polarkreis aus gesehen liegen Südamerika, Afrika und Australien schließlich auch im Norden. Es sagt halt mehr über den Standort als über die Geografie.

Vielleicht sollte man zur näheren Verortung aber doch wissen, dass Kirschhofer-Bozenhardt nicht nur pensionierter Meinungsforscher ist, sondern auch Gestalter des „Attersee-Reports“, herausgegeben vom Freiheitlichen Arbeitskreis Attersee, mit dem er „die freiheitliche Politik vergeistigen“ will und gegen „Gesinnungsdruck“ und „links-grünes Gedankengut“ kämpft, wie er den linken OÖN offenbart hat.

Eine ganz besondere Obsession scheint der Autor – neben einer Neigung zum ausgeleierten Namenswitz – für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verspüren. In meinem ZiB 2-Interview mit dem künftigen ORF-Generaldirektor Roland Weißmann am Abend nach seiner Bestellung sieht er „eine Kriegserklärung des Moderators gegen seinen neuen Chef und dessen politischen Hintergrund“, ein „Tribunal“; über der Sendung schwebte – kein Scherz, das stand da wirklich – „ein Hauch des Jüngsten Gerichts“.

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