Vor genau einem Jahr habe ich meinen X-Account stillgelegt und bin – gemeinsam mit vielen anderen Journalist·innen – auf Bluesky gewechselt. Hat sich der #eXit gelohnt?
Ich muss gestehen, meine Bilanz ist ein wenig durchwachsen. Meinen Entschluss, X/Twitter zu verlassen, habe ich nicht eine Sekunde bereut. Die Plattform ist unter Elon Musk derart toxisch geworden, dass es schlicht keinen Spass mehr gemacht hat, meinen Account dort zu öffnen.
Sinnvolle Diskussionen waren – jedenfalls mit einem sehr großen Account (ich hatte zuletzt ca. 640.000 Follower) – kaum mehr möglich. Konstruktive oder interessante Mentions gingen in einer Flut von Hate-Posts einfach unter. Ich hab das vor einem Jahr im Detail hier beschrieben.
Dazu kommt, dass Elon Musk X als rechtsradikale Agitprop-Plattform und gigantische fake news-Schleuder missbraucht und dass X bei hate speech nicht nur seine eigenen Richtlinien ignoriert, sondern auch konsequent Gesetze missachtet und Behörden den Mittelfinger zeigt. (Mehr dazu hier und hier. In einem aktuellen FALTER-Podcast hat mich Florian Klenk dazu ausführlich befragt.)
Es ist mir ein echtes Rätsel, dass österreichische Politiker·innen aller Parteien vom Bundespräsidenten abwärts, X noch immer als Kommunikations-Plattform nützen und den permanenten Rechtsbruch damit auch noch belohnen.
Das Ärgerliche daran ist auch: Weil viele relevante politische Akteure und auch viele internationale Expert·innen weiterhin (nur) auf X aktiv sind, muss ich die Plattform beruflich weiterhin beobachten. Auch bei internationalen breaking news ist X noch extrem schnell. Doch jeder Besuch dort fühlt sich mittlerweile an, wie auf einer riesigen Müllkippe nach irgendwas Verwertbarem zu suchen.
Dagegen ist es auf Bluesky ziemlich idyllisch.
Für meinen Geschmack leider etwas zu idyllisch.
Ich hatte erwartet und gehofft, dass sich Bluesky schneller entwickeln würde – in seiner Reichweite, vor allem aber auch in seiner inhaltichen Breite. Die anonymen „Heul leise, du linksversiffte Zecke!“-Trolle mit Deutschland-Fahne im X-Profil vermisse ich wirklich nicht, aber mehr – auch kontroverse – konstruktive Diskurse.
Sehr viele konservative Meinungsmacher·innen aus Österreich und Deutschland sind leider auf X geblieben. Noch mehr vermisse ich auf Bluesky aber viele internationale Expert·innen, deretwegen ich X lange so nützlich fand.
Ich hatte auch vermutet, Bluesky würde schneller wachsen. Bereits nach ein paar Wochen hatte mein Account 50.000 Follower, viel rascher als bei meinem Start auf Twitter Anfang 2009. Doch seither hat sich nur mehr wenig getan. Aktuell stehe ich bei ca. 67.000. Das sind natürlich sehr viele Menschen, aber doch nur gut ein Zehntel meiner einstigen X-Follower (wobei niemand weiß, wieviele davon Fake-Accounts waren).
Was auf Bluesky sehr gut funktioniert: Der Grundton in Debatten ist in der Regel konstruktiv, es kommen erstaunlich viele Reaktionen und die Plattform wird anscheinend ordentlich moderiert. Seit einigen Wochen gibts endlich auch direkt in Bluesky Lesezeichen! Und viele – auch internationale – Medien sind da. Für einen soliden Nachrichten-Überblick und freundliche Gespräche mit klugen und interessierten Menschen reicht die Plattform völlig aus. Und das ist ja nicht nichts.
Nach einem Jahr fühlt sich Bluesky für mich noch immer an wie Twitter so um 2010, 2011. Das war sehr fein, aber Twitter 2014/15 war noch deutlich interessanter.
Definitiv ist Bluesky aber ein sehr viel besserer Ort als X im Jahr 2025. Der #eXit war die richtige Entscheidung.

