Wozu Rundfunk-Gebühren? Frequently Asked Questions

Im Sommer 2022 hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die derzeitige Form der Rundfunkgebühren in Österreich – die GIS – geändert werden muss. Es ist nicht verfassungskonform, dass nur jene Gebühren bezahlen, die ein Radio- oder TV-Gerät besitzen, während die Online-Nutzung der ORF-Programme gratis ist. Bis 2024 muss der Gesetzgeber die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks neu regeln.

Die Regierung hat sich nun für eine sogenannte „Haushaltsabgabe“ entschieden, wie sie Deutschland schon seit 2013 hat und die Schweiz seit 2019. D.h. es müssen nicht mehr nur jene zahlen, die Rundfunkgeräte besitzen, sondern alle Haushalte in Österreich (wenn sie nicht aus sozialen Gründen befreit werden). Dafür wird die Gebühr deutlich niedriger.

Diese Entscheidung für eine Haushaltsabgabe hat die – oft sehr emotionale und auch aggressive – Debatte über die Rundfunkgebühren neu angefacht. Deshalb hier ein paar Antworten auf häufig gestellte Fragen:


WARUM SOLL ICH ZAHLEN, ICH SCHAUE NIE ORF?

Zum einen würde ich das ja bei den allermeisten, die das sagen, bezweifeln. Laut ORF-Medienforschung gibt es fast niemanden, der wirklich nie ein ORF-Angebot nützt, von den Nachrichten-Sendungen im Fernsehen, deren Quoten in den letzten Jahren noch gestiegen sind, über die Sportübertragungen bis zum Verkehrsfunk auf Ö3, die ZiB auf Social Media, den Teletext, die TVthek oder orf.at, die mit Abstand populärste Medien-Website Österreichs.

Jeden einzelnen Tag erreicht der ORF im TV, im Radio und Online 6,4 Millionen verschiedene Menschen in Österreich, das sind 85 % der Bevölkerung über 14. Im Laufe eines Monats sind es sogar 95 % (Einzelheiten dazu hier).

Grafik mit Nutzerzahlen

Aber auch wenn es Menschen gibt, die niemals ORF-Angebote konsumieren: Die allermeisten Österreicher·innen gehen nie in die Wiener Staatsoper, ins Salzburger Landestheater oder ins Kunsthaus Bregenz. Und trotzdem finanzieren sie alle drei über ihre Steuern mit. Ohne eigens gefragt zu werden.

Weil wir uns als Gesellschaft irgendwann entschlossen haben, dass Kulturinstitutionen wichtig für uns sind, auch wenn sie sich „am Markt“ alleine nicht erhalten können. Deshalb finanzieren wir sie alle gemeinsam und nicht nur die Besucher·innen mit ihren Eintrittskarten.

Ähnliches gilt für die Presseförderung. Auch sie wird aus Ihren Steuern bezahlt, auch für Zeitungen, die Sie noch nie in der Hand hatten. Oder die Parteienförderung und die Gehälter von Politiker·innen. Die bezahlen Sie für alle mit, auch wenn Sie für manche Parteien oder Politiker·innen niemals stimmen würden – oder überhaupt nie zur Wahl gehen. (Hier noch ein exzellenter Kommentar zu diesem Punkt.)


ABER RTL UND PULS4 SIND GRATIS.

Das stimmt. Es gibt auch Kulturproduktionen, die nicht subventioniert werden müssen, wie Helene-Fischer-Konzerte oder Hollywood-Blockbuster. Aber so wie E-Musik und ernsthaftes Theater in der Regel nicht kostendeckend arbeiten können, ist das auch bei ernsthaftem Fernsehen.

Unterhaltungs-Fernsehen (auch sehr gutes Unterhaltungs-Fernsehen) kann sich aus Werbung alleine finanzieren. Aber täglich ein Dutzend Nachrichtensendungen, Dokumentationen, große Kultursendungen, Auslandskorrespondent·innen von Washington über Kairo bis Peking, neun Landesstudios, Randsportarten, Kinderprogramm usw. gehen sich damit nicht aus. Nichtmal im sehr viel größeren Deutschland, geschweige denn in Österreich.

Der legendäre Gerd Bacher hat mal den Satz gesagt: „Privatsender brauchen Programm, um Geld zu machen. Öffentlich-rechtliche Sender brauchen Geld, um Programm zu machen.“

Und ich behaupte jetzt mal, dass mindestens 90 Prozent aller Fernseh- und Radiosendungen, die Sie klüger machen (und nicht nur unterhalten), auf öffentlich-rechtlichen Sendern laufen, von ORF über 3Sat oder Arte bis ARD oder ZDF. Das klingt auf den ersten Blick zugespitzt, aber ich würde wetten, dass es stimmt.


SERVUS TV KOSTET AUCH NICHTS.

ServusTV sendet tatsächlich weniger Unterhaltungprogramm, sondern vergleichsweise viele Dokumentationen und Sport. (Neben einer extrem fragwürdigen Corona-Berichterstattung, regelmäßig sehr seltsam besetzten Diskussionsrunden und den unterirdischen Wochenkommentaren des Intendanten.) Aber auch ServusTV kann sich nicht annähernd „am Markt“ finanzieren, sondern macht ein gigantisches jährliches Defizit, das Red Bull – der Milliardenkonzern, dem der Sender gehört – freundlicherweise (noch) abdeckt.

ServusTV war eines der Hobbies von Red Bull-Gründer Dietrich Mateschitz und wenn seine Nachfolger keine Lust mehr dazu haben (oder ihnen das Programm nicht mehr gefällt), gibt es den Sender morgen nicht mehr. Schon einmal wollte Mateschitz ihn zusperren, weil Mitarbeiter·innen die Gründung eines Betriebsrats vorschlugen. Es gab dann doch keinen Betriebsrat, dafür durfte weiter gesendet werden. Aber wie lange, hängt ausschließlich vom Red Bull-Management ab. Ein sehr nachhaltiges Modell ist das nicht.


WARUM SOLL ICH FÜR US-SERIEN GEBÜHREN ZAHLEN?

Da (fast) alle Österreicher·innen ORF-Gebühr bezahlen, versucht der ORF auch möglichst für alle Programm zu machen. Nicht alle wollen den Kulturmontag sehen oder Kreuz&Quer oder politische Nachrichten. Viele interessiert auch der Villacher Fasching, Starnacht am Wörthersee oder Big Bang Theory.

Man könnte es aber auch so sehen: Stellen Sie sich vor, Sie bezahlen die ORF-Gebühr nur für Ö1, einen der besten Radiosender der Welt. Und für ORFIII mit seinen großartigen Dokumentationen, Kultursendungen und Live-Übertragungen. Und für ORF2 mit zehn ZiBs am Tag, Report, Weltjournal, Am Schauplatz, Kreuz&Quer, Eco, Bürgeranwalt, 9 x Bundesland-heute, Pressestunde, Europastudio, Thema, Im Zentrum und so weiter.

Für dieses super-öffentlichrechtliche Angebot von weit über 50 Stunden täglich bezahlen Sie derzeit 80 Cent am Tag, rund 25 Euro im Monat. Das ist deutlich weniger, als ein Abonnement der Kronenzeitung kostet. (Und es soll ab 2024 noch deutlich billiger werden – siehe unten.)

Und ALLES andere, die elf anderen Radiosender von Ö3 über FM4 bis zu den Regionalradios, alle Sportübertragungen von der Streif bis zur Formel 1, Dok1, Schnell ermittelt, Braunschlag, Bergdoktor, Willkommen Österreich, Dancing Stars, Was gibt es Neues, die vielen vom ORF mitfinanzierten Filme und das Kinderprogramm, die TVthek, ZiB-Insta und orf.at kriegen Sie gratis dazu. Das ist doch kein schlechter Deal.

Es muss Ihnen persönlich ja nicht alles gefallen, was der ORF sendet. Die entscheidende Frage ist doch: Finden Sie im ORF-Fernsehen, im Radio, online und auf Social Media so viel, dass es 80 Cent am Tag wert ist? (Von denen der ORF übrigens nur 60 Cent bekommt – siehe unten.)

Was übrigens viele vergessen (oder nicht wissen): Der ORF hat nicht nur einen Informations- und Bildungsauftrag, sondern laut Gesetz auch einen Unterhaltungsauftrag. Wie es schon beim Vorbild aller Öffentlich-Rechtlichen, der großen BBC, heißt: To inform, educate and entertain.


DIE GIS IST ZU TEUER! NETFLIX UND SPOTIFY KOSTEN NUR 9,90 IM MONAT.

Allerdings gibt’s dort auch keine aktuellen Nachrichtensendungen, keinerlei Informationen aus und über Österreich oder gar aus den Bundesländer, keine österreichischen Shows, Filme, Serien oder Comedy (bzw. nur einige wenige, die allerdings fast alle der ORF mithilfe von Gebühren finanziert und produziert hat und die auf Netflix zweitverwertet werden).

Der ORF bekommt von der GIS-Gebühr, die noch bis Ende 2023 gilt, übrigens nur € 18,59 pro Monat, also etwa zwei Drittel. Der Rest geht als „Landesabgabe“ an die Bundesländer (außer Vbg. und OÖ, deshalb ist die Gebühr dort deutlich billiger) und an den Finanzminister für die Förderung der Privatsender und als Umsatzsteuer. Das reine Radioentgelt (für 12 Programme, falls jemand keinen Fernseher hat) beträgt pro Monat € 4,97, ist also sehr viel billiger als Spotify. Das TV-Entgelt kommt auf € 13,62 monatlich.

Die Gebühren in Österreich sind im Europavergleich nicht niedrig, aber – ohne die Anteile von Bund und Ländern – nicht höher als in Deutschland. Obwohl es dort über 30 Millionen Haushalte gibt, die Gebühren bezahlen, und hierzulande nur ein Zehntel davon.

Die Haushaltsabgabe ab 2024 soll dann niedriger werden, konkret werden es € 15,30 pro Monat für einen Hauptwohnsitz. Die Bundesabgaben werden abgeschafft, die Länder können selbst entscheiden, ob sie ihre Aufschläge behalten oder nicht. Salzburg und Niederösterreich haben vor ihren Landtagswahlen im Frühling angekündigt, ihre Landesabgaben abzuschaffen.

Die neue Rundfunkgebühr wird also für alle derzeitigen GIS-Zahler·innen (Radio + TV) um mindestens sieben Euro pro Monat günstiger, in einigen Bundesländern wird sie ab 2024 nur mehr 50 Cent pro Tag ausmachen.


WENN IHR SO GUT SEID, MACHT DOCH PAY-TV UND LASST NICHT ALLE ZAHLEN!

Dagegen spricht mehreres: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll möglichst für alle da sein und nicht nur für Abonnent·innen. Deshalb wird er solidarisch von allen finanziert.

Und wie ein kluger Medienmanager (der Schweizer Privat-TV-Pionier Roger Schawinski) mal gesagt hat: Pay-TV funktioniert ökonomisch nur in drei Bereichen: Film, Sport und Porno. Jedenfalls nicht bei Information und Kultur.

Und schon gar nicht in einem kleinen Land, das ein sehr viel größeres gleichsprachiges Nachbarland hat. Es gibt dafür weltweit kein funktionierendes Beispiel. (Die deutschen Sender RTL oder Pro7 haben in Österreich sehr viel mehr Publikum als die österreichischen Sender ATV und Puls4 – die einem deutschen Konzern und dem Medienimperium von Silvio Berlusconi gehören – oe24 oder ServusTV.)

Beim Radio kommt noch ein viel grundsätzlicheres Problem dazu: Es geht technisch gar nicht. Man kann UKW-Radio nicht verschlüsseln. Wie sollte man dann Ö1 oder fm4 dann aber per Abo finanzieren?


WARUM WIRD DER ORF NICHT AUS DEM BUDGET FINANZIERT?

Dieser Vorschlag kommt immer wieder – vor allem von der FPÖ. Auf den ersten Blick wäre das für den ORF sogar charmant.

Es beschwert sich z.B. niemand darüber, dass er die Staatsoper mitfinanzieren muss, auch wenn er oder sie noch nie dort war. Weil niemand von uns jeden zweiten Monat einen Zahlschein für eine „Opern-Gebühr“ in der Post hat, sondern die Subvention für die Oper aus dem Staatsbudget kommt, also aus unseren Steuern (wie auch die Presseförderung). Aber wir merken es quasi nicht.

Würde der Finanzminister dem ORF sein Jahresbudget aus den Steuereinnahmen überweisen, würden Sie es im Alltag auch nicht merken.

ABER: Der ORF-Chef müsste jedes Jahr mit der Regierung aufs Neue über die ORF-Finanzen verhandeln. Mit einer Regierung, die ein sehr, sehr hohes Interesse daran hat, in den vielen Informationssendungen des ORF möglichst gut dazustehen.

Schon in der derzeitigen Konstruktion ist die politische Unabhängigkeit des ORF ein schwieriges Thema – aber die Tauschhändel und Epressungsversuche bei jährlichen Budgetverhandlungen mit der Regierung möchte man sich gar nicht vorstellen.

Deshalb werden renommierte öffentlich-rechtliche Sender von der BBC bis zur ARD aus eigenen Gebühren finanziert und nicht aus dem Staatsbudget wie ein Staatsfunk. Eine Budgetfinanzierung wäre defacto eine Verstaatlichung des ORF.


WARUM GIBT ES TROTZ GEBÜHREN AUCH NOCH WERBUNG?

Kurze Antwort: Weil Österreich ein so kleines Land ist. ARD und ZDF haben, wie gesagt, rund zehn Mal so viele Gebührenzahler·innen und senden trotzdem Werbung (wenn auch nur bis 20 Uhr).

Aber zum Vergleich: Das ZDF, das ca. so viele Mitarbeiter·innen hat wie der ORF, bekommt jährlich 2,1 Milliarden aus Gebühren, die ARD rund 8 Milliarden (!), der ORF ca. 670 Millionen. Mit diesen 670 Millionen alleine wäre das derzeitige Programmangebot in TV, Radio und Online aber bei weitem nicht finanzierbar.

Deshalb kommt noch etwa ein Viertel des ORF-Budgets aus Werbung. Dafür gibt es bei Filmen, Serien oder Nachrichten zumindest keine Unterbrecher-Werbung im Fernsehen und mit Ö1 einen völlig werbefreien Radiosender.

Mit der neuen Haushaltsabgabe steigen die Gebühreneinnahmen für den ORF ab 2024 übrigens auf 710 Millionen jährlich, dafür wird die Radiowerbung um 30 Millionen gekürzt, in Summe bleibt das ORF-Budget also gleich und wird auf diesem Stand (trotz hoher Inflation) gesetzlich für drei Jahre eingefroren.


FAZIT

Klar ist eines: Ohne Gebühreneinnahmen könnten der ORF (oder das Schweizer SRF, ARD oder ZDF) nicht existieren. Das, was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausmacht, kann man mit Werbeeinnahmen alleine oder Pay-TV nicht finanzieren. Pay-TV ist außerdem das genaue Gegenteil von öffentlich-rechtlichem Fernsehen: ein Nischenprodukt für wenige, kein Rundfunk für alle.

Dass man über das Programm dieses Rundfunks täglich streiten kann, dass nicht alles perfekt ist und dass man Gebührengelder auch manchmal effizienter einsetzen könnte – geschenkt (ok, leider nicht geschenkt. Sorry!).

Und dass öffentlich-rechtliche Sender jeden Tag ihrem Publikum zeigen müssen, warum sie ihr Geld wert sind, sowieso. Aber so wie wir uns wahrscheinlich fast alle einig sind, dass sich eine zivilisierte Gesellschaft Theater, Opernhäuser und Museen leisten sollte (auch wenn uns nicht jedes einzelne Stück, alle Schauspieler·innen und jede Ausstellung gefällt), sollten wir uns auch seriöses Radio und Fernsehen leisten. Erst recht im Zeitalter von fake news, click-bait und Verschwörungsmythen.

Jetzt können Sie natürlich sagen: Eh klar, dass er das schreibt, er kriegt ja sein Gehalt dort. Stimmt, ich bekomme mein Gehalt im ORF – großteils aus Ihren Gebühren (vielen Dank!). Aber ich wäre auch für den Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wenn ich ganz was anderes arbeiten würde. Einfach als Staatsbürger. 80 Cent am Tag ist mir das allemal wert. Und wie gesagt: Ab 2024 sind es – je nach Bundesland – nur mehr 50 bis 60 Cent täglich.

Und weil ich immer wieder gefragt werde: Klar zahle ich GIS-Gebühr. Genauso wie Sie. Es gibt für ORF-Mitarbeiter auch keine Rabatte.


Dieser Beitrag – ursprünglich aus dem Jahr 2018 – wurde zuletzt Ende April 2023 überarbeitet und aktualisiert.