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Wasserstraße

Was für eine faszinierende Reise!
Und unglaublich, was es für Brücken gibt…

Der Professor und der Wolf

Diese Woche habe ich gemeinsam mit Peter Filzmaier ein kleines Projekt abgeschlossen, auf das ich ein bisschen stolz bin, weil wir es so kurzfristig und unkompliziert aufgestellt haben: Unsere achtteilige Gesprächs-Serie „Der Professor und der Wolf“, in der wir versuchen, Österreichs Politik mal ganz grundsätzlich zu erklären. Weiter unten gibts alle acht Folgen zum Nachsehen.

Die Idee kam mir im Wahlkampf für die Bundespräsidentschaft, als mehrere Kandidaten einander mit kreativen Ideen überboten, wer als Präsident nicht noch schneller die Regierung entlassen, Neuwahlen anordnen und als eine Art Über-Kanzler sämtliche Probleme des Landes von der Inflation bis zur Energieversorgung lösen würde, möglichst noch am ersten Tag im Amt.

Nun ist Wahlkampf bekanntermaßen eine „Zeit fokussierter Unintelligenz“ (© Michael Häupl) – trotzdem dachte ich mir, man könnte mal ausführlicher erklären, worum es im Amt des Bundespräsidenten tatsächlich geht, was er laut Verfassung darf und was nicht und weshalb das alles so geregelt ist. Und zwar gründlicher, als das in einem ZiB2-Gespräch möglich ist.

Wenn wir aber schon dabei wären, könnte man doch gleich noch ein paar andere Themen besprechen, die jeden Tag völlig selbstverständlich in den Nachrichten vorkommen, die wir in einer aktuellen Sendung aber nie grundsätzlich erklären (können).

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Was für ein großartiges Interview!

Wo leben im Jahr 2100 wieviele Menschen?

Selbstkritik Royale

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland geht es gerade nicht besonders gut – jedenfalls in der öffentlichen Debatte (die Zuseherquoten sind noch immer enorm und ZDF und ARD beim Publikum nach wie vor populärer als alle Privaten).

Doch nirgendwo war die Kritik am öffentlich-rechtlichen System schärfer als im ZDF Magazin Royale bei Jan Böhmermann. Und es spricht sehr für das ZDF, dass es diese Sendung ausgestrahlt hat. Extrem sehenswert!

Screenshot ZDF Magazin RoyaleZDF, 4.11.2022

So viel Widerspruch

Hatte endlich Zeit „Die vierte Gewalt“ von Precht und Welzer zu lesen – und wollte ein paar Tweets dazu schreiben. Es sind  insgesamt 14 geworden, das schien mir für einen Thread dann doch zu lang. Ich will ja niemanden nerven, den das Thema nicht so interessiert. Also habe ich meine Tweets hier zusammenkopiert:


In dem Buch finden sich etliche bedenkenswerte Beobachtungen und Diagnosen und es ist sehr gut und flüssig geschrieben.
Aber: Die Kernthese von den sich „selbstangleichenden“ Leitmedien ist schlicht unsinnig und die Argumentation voller Widersprüche. (1)

Wirklich niemand kann ernsthaft meinen, dass FAZ, SZ, taz, BILD, ZEIT, WELT o. NZZ eine Art „Einheitsmeinung“ (gegen einen Großteil ihres Publikums) vertreten würden, weil ihre Journalist·innen sich gegenseitig gefallen wollen. (2)

Der angebliche „neue publizistische Imperativ: Schreibe stets so, dass deine Meinung die Meinung der anderen Journalisten sein könnte“ ist empirischer Unfug – wie alle wissen, die mehrere Medien nützen. (3)

Ein anderer zentraler Vorwurf ist eine „Repräsentationslücke“ zw. den Meinungen von Medien und Bevölkerung. Gleichzeitig würden sich die Medien aber zu sehr an die Bevölkerung „ranschmeißen“, um max. Reichweiten zu produzieren. (4)

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Fluten wir die Wutmaschinen mit Journalismus!

Ich finde ja, dass Social Media den öffentlichen Diskurs ziemlich versaut haben. Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass es auf Social Media seriösen Journalismus geben muss und dass professionelle Medien dort aktiv sein sollen.
Dieser Text wurde zuerst im PROFIL 39/22 veröffentlicht:


Mitte September tauchte auf WhatsApp ein Video auf, das sich rasant verbreitete. Es zeigt eine scheinbar endlose Schlange von Flüchtlingen entlang einer burgenländischen Landstraße nahe der Grenze zu Ungarn. „Das siehst du nicht im ORF“, raunt eine Stimme aus dem Off: „Auch die Polizei verhindert solche Aufnahmen. Wir werden verarscht, aber so richtig!“ Am 13. September stellte die FPÖ diese Bilder auf ihren YouTube-Kanal und schrieb dazu: „Burgenland im Jahr 2022. … Es ist der pure Wahnsinn. … Unsere Grenzen [werden] regelrecht überrannt. … Solche Bilder bekommt man in den Mainstream-Medien allerdings nicht zu sehen.“

Stimmt. In seriösen Medien waren diese Bilder letzthin nicht zu sehen. Das Video ist nämlich sieben Jahre alt, vom Höhepunkt der Flüchtlingskrise im September 2015, wie das Faktencheck-Team des PROFIL sehr schnell herausgefunden hat. Da hatten das Fake-Video allerdings schon Zehntausende auf Social Media gesehen und sehr entrüstet geteilt.

Mehr als sechs Millionen Menschen in Österreich nützen Social Media, die unter 30-Jährigen nahezu alle. Von den 18–24-Jährigen lesen hierzulande gerade noch 14 Prozent gedruckte Zeitungen, doppelt so viele klicken zumindest die Websites von Zeitungen an, und knapp 40 Prozent konsumieren Nachrichten auch in Radio und Fernsehen, wie wir aus dem Reuters Digital News Report 2022 wissen, der umfassendsten Bestandsaufnahme zur Mediennutzung im Land.

SOCIAL MEDIA ALS NACHRICHTENQUELLE

Aber 63 Prozent der Jungen geben als Nachrichtenquelle soziale Medien an, von WhatsApp über YouTube bis Instagram, immer weniger nennen dabei Facebook, immer mehr dafür TikTok. Doch selbst von den über 55-Jährigen, den treuesten Zeitungslesern und ZIB-Seherinnen, bekommen 41 Prozent auch Nachrichten via Social Media.

Der legendäre Ex-ORF-Chef Gerd Bacher hat Journalismus einmal als Unterscheidung definiert: zwischen wahr und unwahr, wichtig und unwichtig und zwischen Sinn und Unsinn. Diese Unterscheidung ist heute, im Social-Media-Tsunami aus Fake News, Propaganda, Entertainment, Influencern, Krawall, Verschwörungen, Hetze und Wahnsinn, noch sehr viel wichtiger geworden als damals, in der gemütlichen Bacher-Ära von FS1 und FS2.

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So schnell vergehen 20 Jahre

Morgen, am 18. Juli, ist es exakt 20 Jahre her, dass ich meine erste ZiB2 moderiert habe. 2.317 Sendungen waren es seither, hat mein Kollege Martin Thür in einer seiner zahllosen Excel-Tabellen entdeckt. Das Foto oben stammt aus meiner ersten.

Dort saß ich eigentlich nur als Urlaubsvertretung – für die damalige Hauptmoderatorin Ingrid Thurnher. Ich durfte im Sommer 2002 probeweise ein paar Sendungen moderieren. Anfang September fiel dann die Entscheidung: Gerald Groß, der im Jahr zuvor dem viel zu früh verstorbenen Robert Hochner nachgefolgt war, und ich würden künftig neben Ingrid, dem Star der Sendung, je drei Mal im Monat die ZiB2 präsentieren. Doch das hielt nur wenige Wochen. Dann überraschte ZiB1-Anchor Josef Broukal Freund und Feind mit seinem Wechsel in die Politik, als Nationalrats-Kandidat der SPÖ und das quasi über Nacht.

Die ZiB1 brauchte dringend einen neuen Moderator, der Job ging an Gerald Groß (heute Medientrainer), ich erbte seine drei ZiB2-Auftritte im Monat und präsentierte die Sendung die nächsten fünf Jahre immer dann, wenn nicht Ingrid im Studio saß. 2007 wechselte sie ebenfalls zur ZiB1 und ich wurde Hauptmoderator. Seither stehe bzw. sitze ich in der Regel drei Mal pro Woche im Studio, außer in Urlaubszeiten immer Montag bis Mittwoch.

ZUFALL ODER UNFALL?

Dass ich vor 20 Jahren überhaupt zu meiner Urlaubsvertretung kam, war ein schräger Zufall. Oder ein ärgerlicher Unfall, wenn es nach Andreas Khol und Peter Westenthaler ginge, den beiden Klubchefs der ersten schwarz-blauen Koalition. Diese ziemlich absurde Geschichte habe ich letzte Woche in einem großen Interview in der ZEIT erzählt, das Puls4-Kollegin Corinna Milborn mit mir geführt hat. Die Fotos dazu hat übrigens der fabelhafte Peter Rigaud gemacht – und er hat mir erlaubt, ein paar davon hier zu zeigen:

In den letzten 20 Jahren habe ich mehr als 3.000 Studiogäste befragt (leider hat Martin in keiner Excel-Tabelle die exakte Zahl) und einige davon sind mir gut in Erinnerung. Oft werde ich ja gefragt, wer denn am schwierigsten zu interviewen ist. Und da gab es schon einige Kandidat·innen: ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel etwa, weil kaum ein anderer heimischer Politiker derart schnell im Kopf ist und ähnlich redegewandt. Schüssel konnte hochpräzise haarscharf an einer Frage vorbei antworten, aber eben so knapp vorbei, dass es den allermeisten Zuseher·innen nicht auffiel.

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Was lange währt, wird endlich … überprüft

Nun passiert es also doch. Das ORF-Gesetz kommt vor den Verfassungsgerichtshof. Genauer gesagt, jene Teile des Gesetzes, in denen die Bestellung von Stiftungsrat und Publikumsrat geregelt sind. Das Land Burgenland hat heute einen sog. „Antrag auf Normenkontrolle“ beim Höchstgericht beschlossen, also laienhaft gesagt eine Verfassungsklage wegen des zu großen Einflusses der Politik auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Auf insgesamt 44 Seiten wird hier detailliert begründet, weshalb die Bestellung der ORF-Aufsichtsgremien dem Rundfunk-Verfassungsgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspricht. Kurz gefasst: Weil das Gesetz nicht sicherstellt, dass die ORF-Gremien ausreichend „staats- und regierungsfern“ sind.

Ich teile diese Argumentation weitestgehend – wie ich hier ausführlich erklärt habe – und trotzdem war ich von der Klage überrascht. Der mutmaßlich verfassungswidrige Einfluss „der Politik“ auf den ORF ist nämlich nicht leicht vor das Höchstgericht zu bringen. De facto geht das nur über ein solches „Normenkontroll“-Verfahren. Dafür braucht es aber ein Drittel des Nationalrats oder den Beschluss einer Landesregierung. Es kann also nur die Politik selbst ihren eigenen Einfluss auf den ORF juristisch bekämpfen. Gelernte Österreicher·innen wissen: Nicht sehr wahrscheinlich.

Nun hat die burgenländische Landesregierung relativ wenig Macht im ORF-Stiftungsrat (sie darf eines von 35 Mitgliedern bestellen), aber Landeshauptmann Doskozil ist auch ein gewichtiger und machtbewusster SPÖ-Politiker. Und wann und wo immer die SPÖ bisher in einer Regierung saß, störte sie ihr Einfluss auf den ORF keineswegs. Das räumt auch Doskozil ein: „Natürlich hat es auch in der Vergangenheit immer wieder Versuche der politischen Einflussnahme gegeben – niemand ist so blauäugig, das zu bestreiten.“ (Doskozils Vorgänger Hans Niessl etwa hat einst mit Nachdruck am Abgang des langjährigen ORF-Landesdirektors Karlheinz Papst arbeiten lassen. Doskozil selbst war letztes Jahr mit seinem Wunsch nach einem neuen Landesdirektor weniger erfolgreich.)

Als Oppositionspartei ist die SPÖ im Bund derzeit relativ machtlos (auch in den ORF-Gremien), aber sie kann ja durchaus auf eine Rückkehr an die Regierung irgendwann hoffen, möglicherweise sogar als stärkste Partei. Sollte jedoch der Antrag des Landeshauptmanns vor dem Höchstgericht durchgehen, wird das Ergebnis auch die Macht seiner eigenen Partei in künftigen ORF-Gremien begrenzen.

Deshalb hatte ich nicht damit gerechnet, dass es zu einer solchen Verfassungsklage kommen würde. Doskozil begründet sie mit den kürzlich bekannt gewordenen türkis-blauen und türkis-grünen „Sideletters“ zum ORF, die gezeigt hätten, „dass zuletzt Grenzüberschreitungen üblich wurden, die demokratiepolitisch und verfassungsrechtlich schwer bedenklich, aber durch das ORF-Gesetz gedeckt sind“.

Nun ist die Klage jedenfalls da. Das Verfassungsgericht muss das ORF-Gesetz überprüfen. Und das wird hochspannend.

WIE STEHEN DIE CHANCEN?

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Armin Wolf ist Journalist und TV-Moderator. Sein Blog befasst sich v.a. mit Medien und Politik.

Armin Wolf