Alle Beiträge von Armin Wolf

Geboren am 19. August 1966 in Innsbruck. Studium der Politikwissenschaft (mit einer Fächerkombination aus Zeitgeschichte, Soziologie und Erwachsenenbildung) in Innsbruck und Wien. Sponsion 2000, Promotion 2005. Postgraduate-Studium Business Administration in Berlin, MBA 2010. Seit 1985 ORF-Journalist. Ab 2002 Moderator der ZiB2, seit 2010 auch stellvertretender Chefredakteur der TV-Information.

Verfassungswidrig – na, und?

Am Donnerstag dieser Woche, am 17. März, treffen sich die 35 ORF-Stiftungsräte noch ein letztes Mal. Ihre vierjährige Funktionsperiode läuft aus, der Stiftungsrat wird bis Mai neu bestellt. Nach einer Gesetzesbestimmung, die offensichtlich gegen die Verfassung verstößt.

Ich weiß das erst seit wenigen Tagen, seit ich auf einen Aufsatz von Christoph Grabenwarter gestoßen bin, dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs. Grabenwarter ist auch ein renommierter Experte für Rundfunkrecht und als solcher hat er in einem Standardwerk zum deutschen Grundgesetz einen Kommentar über „Rundfunkfreiheit“ geschrieben.*

In der umfangreichen Analyse geht es grundsätzlich um Deutschland, wo das Höchstgericht 2014 in einem historischen Urteil die „Staatsferne“ von ARD und ZDF festgeschrieben hat. Aber Grabenwarter behandelt auch die Rundfunkfreiheit in der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Gemäß Artikel 10 der EMRK müsse die „Vielfalt im Rundfunk“ gewährleistet sein, erklärt er. Deshalb sei zu verhindern, dass „eine gewichtige ökonomische oder politische Gruppe oder der Staat eine dominante Position über eine Rundfunkanstalt … einnimmt“. Und konkret schreibt Grabenwarter über die Leitungs- und Aufsichtsorgane der Sender: „Herrscht in den Organen eine zu große Mehrheit von Vertretern der Regierungspartei(en), wird Art. 10 EMRK verletzt.“ (S. 240, siehe unten.)

Die EMRK ist in Österreich Teil der Verfassung. Und im ORF-Stiftungsrat gibt es – wie ich gleich zeigen werde – genau das: Eine quasi automatische Mehrheit von Vertretern der Regierungsparteien.

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„Was ist im Krieg erlaubt, Herr Janik?“

Diese Woche habe ich für die ZiB2 ein ungewöhnlich ausführliches Interview mit dem Wiener Völkerrechts-Experten Ralph Janik über den Krieg in der Ukraine geführt: Ob der russische Überfall Wladimir Putin automatisch zum Kriegsverbrecher macht und ob er dafür irgendwann vor Gericht muss? Was überhaupt Kriegsverbrechen sind? Wie man Verstöße gegen das Kriegsrecht verhindern kann? Und wir haben auch sehr detailliert über die österreichische Neutralität gesprochen – und was sie konkret in diesem Krieg und auch grundsätzlich bedeutet. Und auch darüber, ob und wie man sie wieder abschaffen könnte.

Es gibt von diesem Interview eine ca. sechs Minuten lange Version, die wir in der ZiB2 gesendet haben. Und eben eine Langfassung von knapp 27 Minuten, die sie hier sehen oder hier hören können. Oder nachfolgend lesen:


Herr Dr. Janik, das was wir da in den letzten Tagen in der Ukraine sehen, in Städten wie Charkiw, Kiew, Mariupol – immer mehr Angriffe auf zivile Ziele – da sagt der britische Premierminister, das seien Kriegsverbrechen. Ist das so?

Ja, das lässt sich relativ leicht herunterdeklinieren. Grundsätzlich greift hier das humanitäre Völkerrecht und einer der zwei Grundsätze, die hier zur Anwendung kommen, ist das Prinzip der Unterscheidung. Man darf Zivilisten und zivile Objekte nicht direkt angreifen und solche Angriffe fallen auch unter die Definition eines Kriegsverbrechens.

Vielleicht einmal grundsätzlich von Anfang an: Diese russische Invasion in der Ukraine selbst ist eindeutig völkerrechtswidrig, oder?

Ja, auch das ist rechtlich ganz leicht herunterzudeklinieren. Wir haben ein Interventionsverbot, wir haben ein Verbot von Krieg, wir haben ein Verbot von direkter und indirekter Gewalt. Und gegen all diese fundamentalen Regeln des Völkerrechts verstößt Russland hier, weil keine der Ausnahmen greift. Also weder hat die Ukraine Herrn Putin dazu eingeladen auf ukrainischem Territorium gegen die Ukraine vorzugehen, das wäre ja auch absurd, noch gibt es eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats und es ist auch kein Fall von Selbstverteidigung. Also, weder können die sogenannten Volksrepubliken, die ja keine unabhängigen Staaten sind, eine solche Einladung aussprechen, noch ist es der Fall, dass Russland von der Ukraine angegriffen worden wäre. Man muss ja kein Militärstratege sein, um zu wissen, dass ein Angriff auf Russland keine besonders gute Idee wäre.

Dieser Krieg selbst ist völkerrechtswidrig, aber gilt dann trotzdem innerhalb eines rechtswidrigen Krieges das Kriegsrecht?

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„Ist Putin noch rational, Herr Krastev?“

Kaum ein Experte weiß so viel über Wladimir Putin wie der bulgarische Politologe Ivan Krastev, der seit vielen Jahren in Wien am IWM, dem Institut für die Wissenschaft vom Menschen, arbeitet. Krastev hat in den letzten Jahren mehrere sehr lesenswerte Bestseller geschrieben, er kommentiert regelmäßig in der New York Times die internationale Politik und berät Spitzenpolitiker·innen in ganz Europa.

Vergangenen Montag, vier Tage nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine, habe ich für die ZiB2 mit Ivan Krastev gesprochen. Und weil es auf das Gespräch (hier die englische Originalfassung) extrem viele positive Reaktionen gab, habe ich es zum Nachlesen transkribiert:


Herr Krastev, viele Beobachter sind ziemlich überrascht, dass die russische Armee bisher nicht in der Lage war, die Ukraine quasi zu überrennen, Kiew zu erobern und den Widerstand der ukrainischen Armee zu brechen. Sie auch?

Ja, ich war überrascht, weil es viele Vorhersagen gegeben hat, auch von den amerikanischen Geheimdiensten, dass die Russen das können. Aber in Wahrheit ist die Überraschung für uns vielleicht kleiner als für die russische Führung. Eine der übelsten Dinge in der Politik ist es, wenn man zum Opfer der eigenen Propaganda wird. Und das ist meiner Meinung nach der russischen Führung in diesem Fall passiert. Sie hat wirklich geglaubt, dass die Ukrainer sie als Befreier erwarten würden und sie mussten feststellen, dass sie als Besetzer begrüßt worden sind.

Was war oder was ist Wladimir Putins Ziel mit diesem Krieg? Was will er erreichen?

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Lasst das Los entscheiden!

Zwei sogenannte „Sideletter“ zu den Koalitionsabkommen von 2018 und 2020 haben uns in den letzten Tagen gezeigt, was die meisten politischen Beobachter seit langem wussten oder ahnten, aber bisher schwer belegen konnten: Wie wenig politische Parteien in Österreich die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks interessiert, die in einem eigenen Verfassungsgesetz vorgeschrieben ist.

In ihren Sideletters dealten ÖVP und FPÖ bzw. Grüne unter anderem aus, wie sie das fünfköpfige ORF-Direktorium aufteilen würden (drei inkl. Generaldirektor für die ÖVP, zwei für den kleineren Koalitionspartner), obwohl dieses Direktorium laut Gesetz vom ORF-Stiftungsrat bestellt wird, der – wie ein Aufsichtsrat – unabhängig und weisungsfrei, ausschließlich im Interesse des Unternehmens zu handeln hat.

Und in der ÖVP-FPÖ-Vereinbarung wurden auch noch journalistische Spitzenfunktionen von den Sender-Verantwortlichen bis in die Chefredaktionen an ganz konkrete Personen verteilt. Lauter Jobs, die weder die Parteien, noch den Stiftungsrat etwas angehen, sondern die über Ausschreibungen und Bewerbungsverfahren an die Bestqualifizierten zu vergeben wären.

Die an den Deals beteiligten Stiftungsrät·innen plagt keinerlei schlechtes Gewissen, was man durchaus so interpretieren könnte, dass sie das mit der Unabhängigkeit etwas anders verstehen als es der Verfassungsgeber gemeint haben dürfte.

In Deutschland hat 2014 das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die „Staatsferne“ ein ganz zentraler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sein hat. In Österreich fehlt leider bisher eine derartige Interpretation der Unabhängigkeit des ORF durch das Höchstgericht. Offenkundig ist aber, dass sie in der gegenwärtigen Konstruktion des Stiftungsrats nicht gewährleistet ist.

Das ist schon lange klar und die Debatte ist keineswegs neu. Vor acht Jahren habe ich deshalb im STANDARD einen relativ radikal klingenden Vorschlag gemacht, wie man den Aufsichtsrat des ORF völlig neu organisieren könnte: Durch eine sogenannte „Bürgerversammlung“.

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Jobs, Jobs, Jobs

Gestern Abend wurde via ORF und PROFIL ein Dokument öffentlich, von dem bekannt war, dass es existierte, das aber bisher nur sehr wenige Menschen tatsächlich kannten: Ein sogenannter „Sideletter“, also eine Nebenvereinbarung zwischen ÖVP und FPÖ zu ihrem Koalitionsabkommen von Ende 2017.

Im Gegensatz zum Koalitionsvertrag, der online steht, war nicht nur der Inhalt des Sideletters streng geheim, selbst seine Existenz wurde nie offiziell bestätigt. Als die KRONENZEITUNG 2019 einen Auszug aus dem Papier zugespielt bekam (von FPÖ-Chef Strache, wie man heute weiß), war ÖVP-Kanzler Kurz regelrecht außer sich und textete an Herbert Kickl und Norbert Hofer: „Ich halte das für eine wirkliche Grenzüberschreitung! Wer so etwas tut, bringt nicht nur die Koalition, sondern jeden einzelnen von uns in Gefahr! … Wollen wir jetzt Spekulationen, ob es geheime Absprachen gibt???“ 

Seit gestern wissen wir, dass das nicht nur Spekulationen waren. Auf fünf Seiten plus drei Zusatzvereinbarungen hatten sich ÖVP und FPÖ in einer geheimen Absprache die Republik personell aufgeteilt. Und zwar nicht nur danach, welche Partei für welche Spitzenfunktion ein Vorschlagsrecht hätte, sondern für viele Jobs mit ganz konkreten Namen. (PROFIL hat den gesamten Sideletter im Faksimile online.)

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Der Ankermann nimmt Abschied

Mit dem letzten „heute-journal“ dieses Jahres verabschiedet sich ZDF-Moderator Claus Kleber heute Abend nach fast 19 Jahren aus dem Nachrichtenstudio. Ich habe ihn vor gut sieben Jahren kennengelernt, als vor der Europawahl 2014 Moderator·innen aus anderen EU-Staaten ins „journal“-Studio nach Mainz eingeladen wurden, um über den Wahlkampf in ihren Ländern zu berichten. (Von damals stammt auch das Foto im ZDF-Newsstudio). Zu seinem Abschied als Moderator hat mich der Berliner TAGESSPIEGEL nun eingeladen, etwas über Claus Kleber zu schreiben.


Die 3000 gehen sich ganz knapp nicht mehr aus. Wenn Claus Kleber heute um 21 Uhr 45 neben Gundula Gause „Guten Abend!“ sagt, wird es zum 2977. Mal sein, dass er das „heute-journal“ so beginnt. Und das letzte Mal. Nach knapp zwei Jahrzehnten verabschiedet sich der ZDF-Anchorman aus der berühmten „Grünen Hölle“, dem Nachrichtenstudio am Mainzer Lerchenberg.

Der Beruf des „Anchorman“ wurde, wie fast alles im Fernsehen, in den USA erfunden – für Walter Cronkite, den ersten und bis heute legendärsten aller Anchors. Dabei saß Cronkite damals noch gar nicht im Studio der „CBS Evening News“, sondern wurde als Berichterstatter im Präsidentschafts-Wahlkampf 1952 berühmt.

Im noch blutjungen Medium Fernsehen wurden die Parteitage der Demokraten und Republikaner in Chicago viele Stunden lang übertragen. Der 35-jährige Cronkite war damals Politik-Chef des Senders und der Mann, der im CBS-Studio die Berichte, Reportagen und Gespräche der Reporter (kein Grund zu gendern) zusammenhielt, von einem zum nächsten überleitete und im Zentrum der enorm langen Sendungen stand: „Der Ankermann der CBS-Crew“, wie die „Chicago Tribune“ seine Rolle beschrieb.

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Die stärksten Bilder 2021

Die AP, die größte Nachrichtenagentur der Welt, hat die besten Bilder ihrer Fotograf·innen aus dem Jahr 2021 zusammengestellt. Eines ist eindrucksvoller als das andere.

Screenshot mit LinkASSOCIATED PRESS, 2.12.2021

Seh-Probe

Sehen Sie im Bild links Albert Einstein oder Marilyn Monroe?

Quelle: https://twitter.com/onlyLindaColyer

Zuseher-Post

 

Betreff: Interview mit Minister Mückstein

Als so guter Journalist sollten Sie wissen, dass sich nicht jeder der Ihnen gegenüber sitzt verarschen lässt und außerdem sollten Sie den Unterschied zwischen Impfpflicht und „Zwang“ kennen und auch definieren können. Tun Sie nicht!


sehr geehrter herr …,
zum einen weiß ich nicht, wen ich wann/wo „verarschen“ wollte, zum anderen 
weiß ich nicht, bei welcher gelegenheit ich pflicht und zwang verwechselt haben könnte. aber sie können mich gerne klüger machen.
mit besten grüßen,
armin wolf


Genau so oberflächlich wir Ihre Antwort habe ich Sie mir eh vorgestellt. Antwort eins ist das Ihre umwegliche Fragerei schon eine Verarsche ist und Antwort zwei sehen Sie sich das Ganze nochmal an Sie sprechen von Impfzwang den es gar nicht gibt den es wird nur eine Impfpflicht geben! So jetzt sollten Sie klüger sein! LG

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Kurz-Schluss

Nun hat Sebastian Kurz seine Ankündigung also doch wahrgemacht, dass er nicht länger als zehn Jahre in der Politik bleiben werde. Nicht ganz freiwillig allerdings.

Auch wenn er heute von sich aus gegangen ist und nicht von seiner Partei zum Abtritt gezwungen wurde – klar war schon seit seinem Rücktritt als Kanzler, dass ein Comeback nicht wahrscheinlich ist. Das hätte nur eine rasche Einstellung beider Strafverfahren (Falsche Zeugenaussage und Inseraten-Affäre, es gilt die Unschuldsvermutung) ermöglicht und die war und ist nicht zu erwarten. Oder sehr rasche Neuwahlen, aber die will erstens niemand und sie wären zweitens auch für die ÖVP ein extremes Risiko.

Dass Kurz aber nicht langfristig Klubobmann im Nationalrat bleiben würde, war erwartbar. Parlamentarische Arbeit hat ihn nie interessiert, selbst für die wenigen Monate nach seiner Abwahl 2019 hat er sein Parlamentsmandat nicht angenommen.

Sebastian Kurz hat mit 24 – als jüngster Staatssekretär der Zweiten Republik – ein Regierungsamt übernommen (ja, ich weiß, dass Staatssekretär·innen formal keine Regierungsmitglieder sind), war mit 27 Außenminister, mit 31 Bundeskanzler, mit 32 zum ersten Mal Kanzler a.D., mit 33 wieder Kanzler und seit Oktober zum zweiten Mal Alt-Kanzler. Wenige Wochen davor wurde er 35.

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