Archiv der Kategorie: Blog

Hier schreibe ich selbst, v.a. Texte zu aktuellen Themen aus Medien und Politik, mitunter auch zu anderen tagesaktuellen Anlässen. Die Frequenz ist unregelmäßig, ebenso die Länge. Manche Blogeinträge sind sehr kurz, manche sehr lang. Alle vor Februar 2018 erschienen ursprünglich auf meiner Facebook-Seite. Für eine Übersicht aller verfügbaren Kategorien klicken Sie bitte hier.

Mister Courage

Gestern wurde mein Freund und Kollege Dieter Bornemann mit dem renommierten Concordia-Preis für Pressefreiheit geehrt, für sein langjähriges Engagement als Vorsitzender des ORF-Redakteursrats. (Gemeinsam mit ihm wurden Robert Treichler, Emran Feroz und Sayed Jalal Shajjan vom PROFIL mit dem Concordia-Preis für Menschenrechte ausgezeichnet.)

Die Unabhängigkeit des ORF ist ja in der Verfassung verankert und die Unabhängigkeit seiner Journalist·innen im ORF-Gesetz (§ 4/6) und in einem eigenen Redakteursstatut festgeschrieben. Weil der ORF im öffentlichen Diskurs aber eine derart wichtige Rolle spielt, gibt es auch immer wieder Versuche, seine Berichterstattung zu beeinflussen. Es ist die wichtigste Aufgabe der Redakteursvertretung, diese Versuche abzuwehren und die journalistische Freiheit der ORF-Mitarbeiter·innen zu verteidigen. Dieter Bornemann tut das auf eine geradezu exemplarische Weise – er könnte kein besserer Redakteursvertreter sein.

Full disclosure: Man könnte mir hier einen gewissen Bias vorwerfen, weil Dieter und ich seit 33 Jahren sehr eng befreundet sind, aber ich fände seine Arbeit als Redakteurssprecher auch großartig, würde ich ihn persönlich gar nicht mögen. Er macht das einfach sehr gut. Aber er ist auch noch ein besonders sympathischer Mensch.

Bei der Verleihung der Concordia-Preise im Parlament am Montag Abend durfte ich eine Laudatio halten. Sie ist hier ebenso nachzulesen wie danach die – viel wichtigere und gehaltvollere – Dankesrede des Preisträgers, die man in der Eingangshalle des ORF in die Wand gravieren und allen Stiftungsräten und Medienpolitiker·innen des Landes zuschicken sollte.

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Sir Robert

Es ist unfassbar, wie schnell die Zeit vergeht. Morgen jährt sich schon zum 20. Mal der Todestag unseres Kollegen Robert Hochner, der die ZiB2 geprägt hat wie niemand sonst. Am 12. Juni 2001 ist er gestorben, an einer tückischen Krebserkrankung, gut zwei Monate vor seinem 56. Geburtstag und knapp ein Jahr nach seiner letzten Sendung.

Fünfeinhalb Jahre lang durfte ich mit Robert arbeiten, als ZiB2-Reporter und als Chef vom Dienst, also jener Redakteur, der für die „Abwicklung“ der Live-Sendung zuständig ist. Und in den letzten Jahren seines viel zu kurzen Lebens durfte ich mit ihm auch privat befreundet sein.

Robert Hochner war ein exzellenter Journalist, aber als Fernsehmoderator war er ein absolutes Ausnahmetalent. DIE ZEIT hat ihn 1996 den „souveränsten TV-Moderator im deutschsprachigen Raum“ genannt und dieses Urteil stimmt auch 25 Jahre später noch. Der Rückblick, den Raimund Löw für die ZiB2 am Tag von Roberts Tod gestaltet hat, gibt einen Eindruck davon:

Hochner im Studio mit Link

Was Robert so ausgezeichnet hat, war eine ganz eigenwillige Kombination von Talenten und Eigenschaften: Er war beeindruckend klug, gebildet und informiert, stets blendend vorbereitet, hellwach, außergewöhnlich schlagfertig mit einem ganz eigenen subtil-ironischen, spitzbübischen Witz, couragiert, kritisch, gnadenlos präzise, sehr präsent, aber trotzdem immer britisch distanziert, elegant und ausnehmend charmant. Auch nach den frechsten Fragen konnte ihm keine·r böse sein.

Robert war radikal unabhängig, mit niemandem verhabert, mit keinem Politiker per du, stets skeptisch und „Leute mit Sendungsbewusstsein“ gehörten für ihn „in die Sendetechnik“. Aber er war ein zutiefst politischer Mensch. Ein Citoyen im Fernsehstudio.

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Der Erzähler

Jetzt hat er sich also zum ersten Mal geäußert und das auch gleich sehr ausführlich – Claas Relotius, der vor zweieinhalb Jahren den größten deutschen Medienskandal seit den gefälschten „Hitler-Tagebüchern“ im STERN ausgelöst hat. Der gefeierte SPIEGEL-Jungstar hatte über Jahre hinweg seine vielfach preisgekrönten Reportagen großteils erfunden. Und nicht nur diese, sondern offenbar auch nahezu alles andere, das er je veröffentlicht hat, wie er jetzt dem Schweizer Magazin REPORTAGEN in seinem ersten Interview seit dem Skandal erzählt:

Insgesamt haben Sie 120 Texte verfasst, grössere und kleinere. Wie viele davon waren journalistisch korrekt?
Nach allem, was ich heute über mich weiss, wahrscheinlich die allerwenigsten. Bei einigen Texten kann ich es einfach nicht sicher sagen.

Auf insgesamt neunzig Fragen erklärt Relotius, warum er gefälscht, erfunden und gelogen hat. Letztlich gibt er aber immer wieder die gleiche Antwort: Er hätte seit seiner Jugend an psychotischen Zuständen gelitten, an Wahnvorstellungen und zeitweise völligem Realitätsverlust – und sein einziger Ausweg sei das Schreiben gewesen:

Es hat mir geholfen, Zustände, in denen ich den Bezug zur Realität verloren habe, zu bewältigen, zu kontrollieren und von mir fernzuhalten. Schon lange vor dem Journalismus. Ich habe diesen Beruf auf eine Art von Anfang an missbraucht. … Ich kann das nicht erklären, aber ich hatte jahrelang nie Angst, nie Zweifel, auch nie ein schlechtes Gewissen.

Auch wenn der 35jährige an mehreren Stellen im Interview in verschiedenen Worten eingesteht:

Es gibt keine notwendige Verbindung zwischen einer psychischen Störung und dem Schreiben der Unwahrheit in einem Nachrichtenmagazin. Viele Menschen haben seelische Probleme. Man muss deswegen keinen Medienskandal verursachen. … Ich hatte beim Schreiben nie niederträchtige Absichten, und ich wollte auch niemanden verletzen, indem ich etwas Falsches schreibe. Dass ich das getan habe, bereue ich am meisten.

Und trotzdem ist dieses Interview mindestens so enttäuschend wie es lang ist. Aber das war wohl auch zu erwarten.

Claas Relotius ist – oder war zumindest – ein professioneller Lügner.

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Die neuen Partei-Organe

Seit einigen Monaten gibt es eine ganze Welle neuer Online-Medien, die entweder direkt von Parteien betrieben werden oder von Menschen, die Parteien nahestehen. Sie nennen sich Exxpress, ZackZack oder ZurSache.

ZurSache ist eine Website, die dem ÖVP-Parlamentsklub gehört, wie auch ganz offen im Impressum steht. (Der SPÖ-Klub gibt schon länger kontrast heraus.) Die Redaktion besteht aus dem langjährigen Medien-Profi Claus Reitan, einst News– und Furche-Chefredakteur, und zwei jungen Partei-Mitarbeitern. Jeden Tag stellen die drei Herren eine Mischung aus ÖVP-Presseaussendungen und recht altbackener Parteizeitungs-Agitation online.

ZurSache-Screenshot

Aber ein „Artikel“ diese Woche ist selbst für ein Parteiorgan ziemlich ungewöhnlich. Zwischen zwei Oppositions-Politiker·innen ist Falter-Chefredakteur Florian Klenk zu sehen – unter der Headline „Das Kartenhaus der Opposition bricht zusammen“.

Warum ist das mehr als übliche politische Polemik?

Von den vielen Untergriffen Donald Trumps und seines Propaganda-Chefs Steve Bannon war es einer der übelsten, kritische Medien und Journalist·innen als „the opposition party“ zu framen. Professionelle Medien berichten üblicherweise kritisch über Mächtige in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – das ist als „public watchdog“ ihr Auftrag. Aber sie sind keine Partei im politischen Wettbewerb.

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Ist Gendern der „Tod der Sprache“? (Spoiler: Nein)

Es war ein kleines Experiment am vergangenen Montag, dem Internationalen Frauentag: In der gesamten ZiB2 waren keine männlichen Mehrzahlformen zu hören. Ganz am Ende der Sendung erklärte ich es kurz: „Männer waren mitgemeint.“

Bis dahin war es niemandem aufgefallen: Kein einziges Mail, kein Tweet, keine Facebook-Reaktion. Ganz anders ist es, wenn ich in der Sendung „gendere“, also ein Mehrzahlwort wie Politiker*innen spreche – mit einer kurzen Pause, weil man das „Gendersternchen“ selbst ja nicht sprechen kann.
Also: Politiker innen.

Diese Betonung hat sogar einen eigenen Namen: Glottisschlag. Kennt fast niemand (ich bis vor kurzem auch nicht), aber jeder von uns verwendet ihn, wenn er Spiegelei sagt und ein Ei damit meint und keine Erscheinung im Spiegel.

Ich mache das seit einigen Monaten in der ZiB2 immer wieder, Tarek Leitner tut es in der ZiB1 und die Kolleg*innen Petra Gerster und Claus Kleber seit einiger Zeit in den ZDF-Nachrichten. Und dieser angebliche „Genderwahn“, diese „Zerstörung der deutschen Sprache mittels Gender-Unfug“ löst bei etlichen Zusehern und manchen Zuseherinnen erstaunliche Aggressionen aus, aber auch sonst durchaus bemerkenswerte Reaktionen:

„Es ist zu registrieren, dass Sie und der ORF in subversiver Weise eine Gehirnwäsche an den Österreichern vornehmen möchten“, schreibt mir Herr Dr. W., während Herr S. meint: „In Ihrer offiziellen ORF-Funktion steht es Ihnen nicht zu, im Rahmen Ihrer medialen Machtposition den allgemeinen Sprachgebrauch verändern zu wollen“.

Und Herr Karl (sorry, aber in dem Fall muss ich den Namen einfach ausschreiben) ist besonders besorgt: „Gendern ist keinesfalls eine harmlose Laune des Zeitgeistes. Es ist vielmehr der Versuch bestimmter Kräfte, die Kontrolle über unser Denken, unser Sprechen und unser Schreiben zu erlangen. So etwas mag in totalitären Diktaturen üblich sein, in einer Demokratie hat es nichts verloren. Wehret den Anfängen!“ Ganz knapp hingegen belehrt mich heute Herr G., dafür mit riesigen Buchstaben in einem eigens angefügten Word-Dokument: „GENDERN IST DER TOD DER SPRACHE“.

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„Objektiv unwahr“

Tempelberg, die dritte. Und letzte. Instanz nämlich.

Jetzt hat FPÖ-Chef Norbert Hofer in der „Causa Tempelberg“ also auch vor einem Höchstgericht gegen den ORF verloren. Nach der Medienbehörde KommAustria und dem Bundesverwaltungsgericht hat sich Hofer nun vom Verwaltungsgerichtshof bestätigen lassen, dass er im Präsidentschafts-Wahlkampf 2016 über seine Erlebnisse am Tempelberg in Jerusalem („Ich hab dort auch Fürchterliches erlebt. Also ich bin mitten in einen Terrorakt hineingekommen, neben mir wurde eine Frau erschossen.“ ) mehrfach die Unwahrheit gesagt hat:

„Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass dem Revisionswerber [Hofer] in der Diskussionssendung ‚Wahl 16 – Das Duell‘ eine objektiv unrichtige Aussage vorgehalten wurde …, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt wurde, dazu Stellung zu nehmen und die Angelegenheit aufzuklären, und dass der Revisionswerber … auf der Richtigkeit seiner Aussage beharrt hat.“

Das Absurde daran: Es ist seit nahezu fünf Jahren völlig unstrittig, dass Hofer nie „mitten in einem Terroranschlag“ war, bei dem „zehn Meter neben mir“ eine schwerbewaffnete Frau erschossen wurde, weil es einen solchen Terroranschlag schlicht nie gegeben hat. Der FPÖ-Politiker hat in Jerusalem auch keine erschossene (oder angeschossene) Frau gesehen, er hat nie einen Schuss gehört. Und obwohl er von Ingrid Thurnher im TV-Duell nur gefragt wurde, ob er da etwas „verwechselt“ hätte, hat er seither mehrere Jahre lang und in drei Instanzen versucht, dem ORF eine Verletzung des Objektivitätsgebotes nachzuweisen.

Das Höchstgericht stellt nun in seiner Ablehnung der Revision (hier im Volltext) nüchtern fest:

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Stichelei

Selten habe ich so viele so gegensätzliche Reaktionen zu einem Interview bekommen wie gestern zum Gespräch mit dem Bürgermeister von Feldkirch, der sich am Wochenende in einem Seniorenheim seiner Stadt gegen Corona impfen ließ.

„Bravo und danke fürs Nachbohren!“, „Legendäres Interview. #alternativefacts auf Österreichisch“, „Diese Art von Missbrauch muss offengelegt werden!“, haben die einen geschrieben, oder auch: „Meine Mutter, 88J., wohnt 100m vom Seniorenheim entfernt und ist für eine Impfung angemeldet. Sie wäre schnell dort gewesen.“

Andere hingegen fanden das Interview maßlos überzogen:

„Es war unverständlich und geradezu peinlich, mit welchem Eifer Sie den Bürgermeister vorgeführt haben. Die Unverhältnismäßigkeit – nicht nur in Bezug auf den Vorwurf, sondern auch auf die Länge des Beitrags – war an der Grenze des Erträglichen.“ Oder: „Sie haben ihn vorgeführt als hätte er ein Schwerverbrechen begangen. Weniger wäre mehr gewesen, die Botschaft ist ja eh angekommen.“

Ich fürchte, die Kritiker*innen haben leider recht. Das Interview war für den Anlass und den Gesprächspartner einfach zu lang.

Einige, denen das Gespräch gefallen hat, haben es mit dem ZiB2-Auftritt des Tiroler Gesundheitslandesrats Tilg nach Ischgl verglichen („Wir haben alles richtig gemacht.“), aber es ist doch etwas anderes, ob sich durch offensichtliches Missmanagement der Politik 11.000 Corona-Infektionen durch Europa verbreiten oder ob sich ein Bürgermeister vorzeitig impfen lässt.

Screenshot mit Link

Was den Fall in Feldkirch von anderen Bürgermeister*innen unterscheidet, ist allerdings die Heimärztin, die schwere Vorwürfe erhebt und die in unserem Beitrag vor dem Interview auch ausführlich zu Wort kam. Trotzdem haben letztlich die Dimensionen nicht gepasst. Dabei glaube ich gar nicht, dass die einzelnen Fragen falsch oder unberechtigt waren – jede meiner Fragen konnte man sinnvollerweise stellen. Es waren nur zu viele.

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Tempelberg: Norbert Hofers „Terrorakt“, den es nie gab

In der „Causa Tempelberg“ hat Norbert Hofer nun auch in der zweiten Instanz gegen den ORF verloren. Seine Beschwerde sei unbegründet, der ORF habe nicht gegen das Objektivitätsgebot verstoßen, urteilt das Bundesverwaltungsgericht. Hofers Beschwerde wird in allen Punkten zurückgewiesen.


Es ist eine Geschichte, an die sich Jüngere vielleicht gar nicht mehr erinnern können – aber in der ersten Runde des Präsidentschafts-Wahlkampfs zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer hat sie im Mai 2016 riesiges Aufsehen gemacht. Und sie hat mich seither beschäftigt wie wenig anderes in meinem Berufsleben.

Denn obwohl Norber Hofer damals im Wahlkampf mehrfach etwas behauptet hat, das in Wahrheit nie stattgefunden hat, glauben bis heute viele Menschen, der ORF hätte damals etwas falsch gemacht – und nicht Norbert Hofer.

In einer absurd empörten Kampagne gegen den ORF hat sich die FPÖ damals auch bei der Medienbehörde beschwert. 2017 hat sie dort haushoch verloren. Die KommAustria entschied damals nach einem langen Verfahren und der Einvernahme etlicher Zeugen in einem sehr ausführlichen Bescheid, dass Hofers Version der Geschichte falsch war und der ORF seine Recherchen „mit bestmöglicher Genauigkeit und Sorgfalt“ durchgeführt hat.

Mich hat das damals sehr erleichtert – denn diese Recherchen waren großteils von mir.

Doch statt es bei dieser – eher peinlichen – Niederlage bewenden zu lassen, zog Hofer in die nächste Instanz, vor das Bundesverwaltungsgericht. Dort hat das Verfahren fast vier Jahre lang gedauert, aber nun liegt im Namen der Republik das Urteil vor. Auf 89 Seiten wird Hofers Beschwerde penibel Punkt für Punkt zerpflückt, bis nichts mehr davon übrig ist. Zentraler Satz:

„Unzweifelhaft hätte … der Sachverhalt, so wie er sich auf Basis der Angaben des Beschwerdeführers [Hofer] darstellte, durch eine – egal wie ausführlich durchgeführte – Recherche … niemals verifiziert werden können, als sich ein solcher in dieser Form nicht … zugetragen hat.“

(Eine anonymisierte, deshalb etwas kürzere Version des gesamten Urteilsspruchs gibt es hier online.)

Aber worum gehts eigentlich?

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Meine Oma, Putin & Sebastian Kurz

Ali Mahlodji ist ein großartiger Redner und ein mitreißender Motivator, was tausende Menschen wissen, die ihn schon mal bei einem seiner vielen Vorträge gehört haben. Der Gründer von watchadoo ist aber auch ein neugieriger, kluger Fragensteller.

In seinem Video-Podcast spricht er mit Menschen über ihr Leben und ihre Laufbahn – und bringt sie mit sehr grundsätzlichen und ungewöhnlichen Fragen oft zu erstaunlich offenen Antworten.
Das ist ihm auch bei mir gelungen.

Im Juli hat mich Ali in sein Büro zum Gespräch eingeladen. Es hatte gefühlte 40 Grad in Wien und im Bildschirm auf seinem Tisch lief in Endlos-Schleife ein Lagerfeuer. Das haben wir ganz rasch auf ein Aquarium umgestellt. Die Corona-Zahlen waren damals ganz niedrig, wir haben trotzdem brav Abstand gehalten, aber – wie man sieht – keine Masken getragen, dafür aber Sommerhemden.

Seit gestern ist das Gespräch nun online: Es geht in der knappen Stunde natürlich um meinen Job, aber auch um meine Herkunft, um die Bedeutung von Talent, Fleiß, Glück und Zufall, um “Lebensretter”, Vladimir Putin, um Ängste und die Frage, was einen wirklich antreibt:

Ebenfalls im Sommer hat der Wiener Journalist Andreas Sator, der viele kreative Dinge ausprobiert, ein noch deutlich längeres Gespräch mit mir für seinen sehr interessanten Podcast “Erklär mir die Welt” geführt, der schon seit Ende Juli online ist. Es war die erste Folge der Sonderreihe deep dive, hat fast zwei Stunden gedauert und es ging vor allem um das Thema Bildung und sehr stark auch um meine Arbeit:

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Eine elegante Ruine wird 100

Heute vor 100 Jahren hat die Provisorische Nationalversammlung in Wien das „Gesetz vom 1. Oktober 1920, womit die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet wird“ beschlossen – die österreichische Bundesverfassung.

Sie ist eine der ältesten noch gültigen Verfassungen der Welt. Letztes Jahr hat der Bundespräsident ihre „Eleganz und Schönheit“ gelobt, sehr viele Jurist*innen haben damals geschmunzelt. „Eine innere und äußere Ruine“ hat sie einst Verfassungs-Professor und Justizminister Hans Klecatsky genannt.

Tatsächlich ist die österreichische Verfassung extrem unübersichtlich und zersplittert. Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) von 1920 wurde mehr als hundert Mal geändert, von seinen 152 Artikeln ist gerade noch ein Zehntel in seinem ursprünglichen Wortlaut in Kraft. Und nicht alle sind so elegant wie der berühmte Beginn:


Artikel 1, B-VG


Artikel 14a zum Beispiel gilt unter Jurist*innen als Schulbeispiel dafür, wie man Verfassungsinhalte nicht formuliert. In mehr als 600 Wörtern wird da bis ins kleinste Detail das „Gebiet des land- und forstwirtschaftlichen Schulwesens“ organisiert.

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