Zwei Wünsche an die Kanzlerin

Das All-Star-Beamt*innen-Kabinett, das für die nächsten Monate die Regierung führt, soll “eine gute und geordnete Verwaltung der Staatsgeschäfte” sicherstellen, hat der Bundespräsident bei der Vorstellung der ersten Bundeskanzlerin gesagt.

Große Politik wird diese Übergangs-Regierung also nicht machen und dem Parlament deshalb kaum neue Gesetze vorschlagen. Das ist in dieser speziellen politischen Situation auch sehr vernünftig, die Regierung ist schließlich nicht aus Wahlen hervorgegangen. Und doch gibt es zwei Gesetze, für die diese Beamt*innen-Regierung die perfekte Initiatorin wäre.

Es sind zwei Themen, bei denen die Parteien im Nationalrat fundamentale Interessenskonflikte haben – weil es darum geht, ihren Einfluss, ihre Macht und ihre Ressourcen vernünftig zu regeln und zu beschränken. Was ein bisserl so ist, als würde man einen Hund auffordern, neben einer Knackwurst zu fasten. Kann man versuchen, aber nur, wenn man die Knackwurst nicht braucht.

Diese beiden Themen sind die Parteienfinanzierung und der öffentlich-rechtliche Rundfunk. (Es gäbe noch ein drittes: Politikergehälter. Aber die sind seit einer großen Debatte vor zwei Jahrzehnten sehr vernünftig festgelegt.)

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Im RückSPIEGEL

Knapp fünf Monate nachdem bekannt wurde, dass der vielfach ausgezeichnete Star-Reporter Claas Relotius jahrelang Texte für den SPIEGEL (und andere Redaktionen) erfunden, gefälscht oder zumindest massiv “aufgehübscht” hatte, hat die dreiköpfige interne Untersuchungs-Kommission des SPIEGEL nun ihren Bericht vorgelegt. Es ist ein 17-seitiges, eindrucksvolles Dokument, das der SPIEGEL auch in voller Länge abgedruckt und online gestellt hat.

Relotius war ein Hochstapler, ein außergewöhnlich begabter und fleißiger noch dazu – aber die Autor*innen des Berichts sehen innerhalb der SPIEGEL-Redaktion und in bestimmten Entwicklungen im Journalismus generell auch wesentliche systemische Ursachen, die erklären, warum Relotius mit seinen Fake-Reportagen so lange unentdeckt blieb und für seine Texte regelmäßig gefeiert wurde.

Es ist jedenfalls ein Bericht geworden, der in jeder Journalist*innen-Ausbildung gelesen und diskutiert werden sollte.

Screenshot mit LinkDER SPIEGEL, 25.5.2019


Und hier noch eine exzellente Rezension des Kommissions-Berichts von Stefan Niggemeier, einem der klügsten deutschsprachigen Medienjournalisten.

“Prahlerisch wie ein Teenager” – Jetzt erst recht!

Ich kenne Heinz-Christian Stache ziemlich lange – und schon unser erstes großes Interview vor 14 Jahren hat eine Seite von ihm gezeigt, die ihm jetzt politisch zum Verhängnis geworden ist.

Es war Straches erstes Sommergespräch im August 2005. Seit wenigen Monaten war er FPÖ-Obmann, nachdem Jörg Haider mit fast allen Ministern und Abgeordneten das BZÖ gegründet hatte. Es war Straches erster wirklich großer medialer Auftritt.

In der Vorbereitung hatte ich mir seine recht aufwändig gestaltete Homepage angeschaut (längst nicht mehr aktiv), die auch über seine persönlichen Vorlieben Auskunft gab, vom Lieblingsfilm („Braveheart“) bis zum Lieblingsbuch: „Der Waldgang“, ein Essay des deutschen „Stahlgewitter“-Philosophen Ernst Jünger aus dem Jahr 1951. Auf Straches Homepage stand als Erklärung für seine Wahl eine exzellent geschriebene Kurzrezension des schmalen Bandes. Und ich muss gestehen, ich war verwundert.

Ich habe während des Studiums einige politische Philosophen gelesen. Den schwülstigen Jünger fand ich stets mühsam und es hatte mich schon erstaunt, dass Strache neben seinem platten Filmtipp einen derart sperrigen (wenn auch ideologisch kompatiblen) Lieblingsautor nennt – vor allem aber, dass er eine solche Buchkritik verfassen würde.

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Wie hart darf ein Interview sein?

Ich bin ja der Überzeugung, dass Medien und Journalist*innen ihre Arbeit und ihr Handwerk heute sehr viel mehr öffentlich erklären und transparent machen müssen als früher – um das Vertrauen des Publikums zu behalten und um sich Kritik zu stellen. Das ist auch ein wesentlicher Grund für diesen Blog – auf dem ich häufig über meine Arbeit schreibe.

In den letzten Tagen kam in der Debatte um mein Interview mit Harald Vilimsky auch die Kritik, ich würde im ZiB2-Studio grundsätzlich versuchen, meine Gesprächspartner stets “aufzublattln” oder “aufzumachen” oder gar zu “vernichten”. Für mich ist meine Annäherung an Interviews aber eine ganz andere.

Ich führe natürlich ganz andere Gespräche als Claudia Stöckl in “Frühstück bei mir”. In der ZiB2 sind es in der Regel kontroversielle Interviews mit politischen Akteur*innen über Politik. Es geht weniger um sie als Person und schon gar nicht um Privates. Die Interviews sind in der Regel live und mit sechs bis zehn Minuten recht kurz.

Meine Annäherung ist dabei immer die gleiche, egal, von welcher Partei ein Studiogast kommt und ob er oder sie mir privat oder politisch sympathisch oder unsympathisch sind: Ich konfrontiere sie mit Kritik, Widerspruch und Gegenargumenten zu ihrer politischen Position. Auf diese Weise sollen die Gäste ihre Politik erklären und begründen müssen – und die Zuseher*innen vor dem Fernseher entscheiden, ob sie die Argumentation überzeugend fanden oder nicht, und sie wissen nach dem Gespräch hoffentlich mehr über das Thema und auch über den Gast.

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“Das irre Ösi-Theater” – eine Presseschau

Ich moderiere die ZiB2 ja schon seit fast 17 Jahren und bin doppelt so lange Journalist. Es waren auch schon gelegentlich Politiker über Interviews mit mir einigermaßen empört (Pröll, Faymann, Stronach, Voggenhuber u.a.) – aber die letzten Tage waren trotzdem ganz anders. Noch nie habe ich auch nur annähernd so viele Reaktionen von Zuseher*innen bekommen, es waren seit dem Gespräch mit Herrn Vilimsky mehrere tausend. Und noch nie waren sie derart einhellig positiv.

Auch das Medienecho ist enorm wie nie. Vor allem in Deutschland haben die Attacken der FPÖ enorme Wellen geschlagen, auch noch Tage nach dem Interview selbst. Ausgelöst hat das möglicherweise SPIEGEL.DE, das in Deutschland sehr viele Journalist*innen als Browser-Startseite haben. Montag früh war dort ein sehr ausführlicher Bericht von Österreich-Korrespondent Hasnain Kazim stundenlang der “Aufmacher”, unter dem etwas dramatischen Titel “Der wahre Löwe ist der Wolf”.

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“Etwas, das nicht ohne Folgen bleiben kann”

Ich bin am Morgen nach meinem Interview mit Harald Vilimsky zu einem lange geplanten Kurzurlaub aufgebrochen – aber sehr erholsam waren die paar Tage in Tel Aviv letztlich nicht. Jeden Tag kamen mehrere hundert Mails, SMSe und Twitter-Mentions. 99 Prozent davon lobend, freundlich und unterstützend (vielen Dank!) – aber ein freundlicher Herr hat mir auch unter vollem Namen gemailt: “Grüß sie warum sind sie noch nicht gekündigt beim orf sie. Ratte scheiss geburt einer Hure” (Rechtschreibung im Original).

Doch wie ist es zu diesem Interview gekommen, das FPÖ-Chef Strache seither jeden Tag zumindest einmal „widerlich“ nennt, das der ORF-Stiftungsratsvorsitzende und ehemalige FPÖ-Chef Steger für „pervers“  hält und für das mich die frühere ZiB-Moderatorin und nunmehrige FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel am NS-„Volksgerichtshof“ verortet?

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“Alarmierend” verschlechtert

“Reporter ohne Grenzen” haben ihren jährlichen Bericht zum Zustand der Pressefreiheit weltweit veröffentlicht. Und Österreich ist im Vergleich zum Vorjahr um fünf Plätze abgerutscht, auf Rang 16 – und damit auch aus jener Gruppe von Staaten gefallen, in denen die Lage der Pressefreiheit mit “gut” beurteilt wird. Österreich liegt nur mehr bei “ausreichend”, hinter Estland, Jamaika oder Costa Rica.

Ich hätte das, ehrlich gesagt, vor ein, zwei Jahren noch nicht für möglich gehalten. Der STANDARD hat den Bericht zusammengefasst – und hier kann man ihn bei RoG selbst im Detail nachlesen:

Weltkarte Pressefreiheit mit Link
REPORTER OHNE GRENZEN, 18.4.2019

In der Hölle von Facebook

Das US-Magazin WIRED hat wieder eine kilometerlange, hochspannende Tiefen-Recherche aus dem Innenleben von Facebook veröffentlicht (und online gestellt), die im Vorspann so angekündigt wird:

Skandale. Intrigen. Rücktritte. Rekordgewinne. Zeitbomben. Anfang 2018 hat sich Mark Zuckerberg vorgenommen, Facebook zu reparieren. So ist es ausgegangen.


Titelbild mit Link
WIRED, May 2019

40 Tipps für richtige Männer

Das ist einer der intelligentesten und lehrreichsten Texte, die ich in den letzten Monaten gelesen habe:


Screenshot mit LinkSPIEGEL ONLINE, 16.4.2019


Und hier noch eine Diskussion im TAGESSPIEGEL zwischen der Autorin Margarete Stokowski und Alice Schwarzer über neuen und alten Feminismus, politischen Islam und Gender-Sternchen. Auch sehr lesenswert!

Armin Wolf ist Journalist und TV-Moderator. Sein Blog befasst sich v.a. mit Medien und Politik.

Armin Wolf